AT-Mitteilung

Modernste Technologien für Forschung & Lehre

 

Solutions, Apps und Packages sind ein weiterer Schritt zur nächsten Generation Automatisierungstechnik im Lehrgebiet

Die Gerätetechnik hat die Automatisierungstechnik in den letzten 50 Jahren dominiert. Manifestiert hat sich diese vor allem in Steuerungen, Sensoren, Aktoren, Komponenten der Elektrokonstruktion sowie der Medien- und Materialversorgung. In der klassischen Automatisierungspyramide kommt den speicherprogrammierbaren Steuerungen als Bindeglied zwischen der unterlagerten Feld-, Aktorsowie Sensorebene und den überlagerten Ebenen für die Prozess-, Betriebs- und Unternehmensleitung eine besondere Rolle zu.

Mit dem Einzug von zusätzlicher Informations- und Kommunikationstechnologie (IT) im Rahmen von Industrie 4.0 in die Produktionsautomation wurden zahlreiche Komponenten und Geräte rund um die klassische SPS angeordnet, die auch als IoT-Devices, Edge Controller oder ggf. auch als CyberPhysical-System bezeichnet werden (vgl. [1]). Denn in den vorangegangenen Jahrzehnten sind SPSen mit Funktionalitäten ausgestattet worden, die nicht ohne Weiteres und vor allem nicht mit geringem Personaleinsatz auf andere Gerätetechnik übertragen werden können. Die Robustheit, das Spektrum an Kommunikationsprotokollen und natürlich die Zuverlässigkeit in Bezug auf Maschinen- und Betriebssicherheit unter Einhaltung von präzisem und reaktionsschnellem Echtzeitverhalten sind einige ihrer geschätzten Eigenschaften.

Ein ganz klarer Nachteil dieser klassischen SPSen ist aber die starke Eingrenzung auf branchenspezifische Entwicklungswerkzeuge, selbst wenn im Rahmen von Industrie 4.0 erhebliche Erweiterungen und Innovationen hinsichtlich offener Programmierschnittstellen und unterstützter Programmiersprachen erreicht wurden (vgl. [2], [3], [4]).

Für zahlreiche Anwendungen wird die klassische SPS auch weiterhin das Mittel der Wahl bleiben, weil sie einfach über Jahrzehnte perfekt an viele Branchenbedürfnisse adaptiert wurde.

Mit Blick auf zukünftige Anforderungen und im Rahmen eines funktionalen Designs stellt sich aber die Frage, wie moderne Lösungsansätze der IT diese gewachsenen Software- und GeräteArchitekturen verändern werden. Cloud-Computing und Edge-Computing gepaart mit zuverlässigen Latenzzeiten für die Datenübertragung, wie z.B. Time-Sensitive-Networking, sind dabei Lösungsansätze, die in zahlreichen Firmen und Forschungsprojekten diskutiert, implementiert und analysiert werden – nicht nur für die virtuelle Inbetriebnahme, Machine-Learning und künstliche Intelligenz in der Automatisierungstechnik.

Im Lehrgebiet Automatisierungstechnik stellt sich die Frage, wie wir diese Entwicklungen in Forschung und Lehre einfließen lassen können. Idealerweise realisieren wir Forschungsprojekte, deren Ergebnisse wir so aufarbeiten, dass wir sie didaktisch sinnvoll in die Lehre überführen können.

Dieser Richtschnur folgend beschäftigen wir uns mit Implementierungen, die von der Industrie als Solutions, Apps und Packages bezeichnet werden und den Begriff des SPS-Programms oder der SPS-Applikation bei weitem übersteigen. Offene Schnittstellen in einer SPS öffnen schon interessante Möglichkeiten, aber Kapselungen von gut getesteten und wartbaren Komponenten, die zuverlässige und sichere Abgrenzungen zu anderen Komponenten ermöglichen und koexistent zu klassischen SPS-Anwendungen ausführbar sind, zeigen, wie zukunftsorientierte Lösungen gefunden und wiederverwendet werden können.

Solutions, Apps und Packages lassen sich komplett simulieren und auf unterschiedlichen Execution Environments ausführen, aber letztendlich ist unser Leben, bei aller Euphorie zur Digitalisierung, vollkommen analog. Produktionsanlagen produzieren physikalische Produkte für echte Menschen mit echten Lebensbedürfnissen; seien es Lebensmittel, Kleidung oder für viele offenbar auch einfach nur Toilettenpapier.

Für das Arbeiten mit physikalischen Geräten wurde von Professor Engels ein weiteres Didaktiksystem mit dieser Zielrichtung entwickelt. Wie viele seiner Entwicklungen integriert sich auch dieses nahtlos in die modulare Systemarchitektur der Labore des Lehrgebietes und wird nach dem Wiederanlauf des Präsenzstudiums mit entsprechendem Lehrmaterial den Studierenden zur Verfügung stehen.

Damit gehören wir einmal mehr zu den ersten Laboren, die mehrere Schritte in Richtung innovative Lösungen in der Hochschuldidaktik gegangen sind. Denn mit Methoden und Werkzeugen des RapidPrototypings, die wir schon seit Jahren postulieren und leben, sind wir auch jetzt in der Lage das Lehrgebiet weiterzuentwickeln. Stillstand in der Automatisierungstechnik ist weder in der Industrieproduktion noch im Lehrgebiet angesagt.

In der aktuellen Zeit müssen wir den Betriebsmodus, die Methoden und Werkzeuge ändern, aber wir machen keinen Shutdown. Wer am Campus der Hochschule Fulda vorbei geht, der mag den Eindruck bekommen, dass alles in einen Dornröschenschlag gefallen ist. Aber unsichtbar hinter den Kulissen engagieren sich viele Personen ganz enorm die Auswirkungen für unsere Studierenden auf ein Minimum zu reduzieren.

Autor: Prof. Dr.-Ing. Elmar Engels


Literaturquellen:
[1] VOGEL-HEUSER, B. et al. | Handbuch der Industrie 4.0. Band 1 bis 4. Springer Verlag
[2] ENGELS, E., GABLER, T. | Universelle Programmierschnittstelle für Motion-Logic Systeme. AALE 2012, Tagungsband S.37-46, Aachen, 03.05.-04.05.2012, ISBN 978-3-8356-3305-6
[3] ENGELS, E., KRAUSKOPF, S. | Innovation in Motion-Logic programming – a versatile interface. in: Proceedings to the 12th International Workshop on Research and Education in Mechatronics, REM 2011, Kocaeli, Turkey, 15.09.-16.09.2011, ISBN 978-975-8047-96-3
[4] ENGELS, E., SCHNABEL, H. | Rapid-Control-Prototyping of Industrial Drives for the sercos Automation Bus. Mechatronics (MECATRONICS) , 2012 9th France-Japan & 7th Europe-Asia Congress on and Research and Education in Mechatronics (REM), 2012 13th Int'l Workshop on, pp.177-181, 21-23 Nov. 2012, IEEE Xplore

Bildquelle: Prof. Dr.-Ing. E. Engels