EE-Mitteilung

Batteriespeicher als Lösung für die Energiewende

 

Elektromobilität und Regenerative Energietechnik ist ein innovativer Schwerpunkt an der Hochschule Fulda

7. März 2020 - Marktkorb, Fulda
Die Energiewende ist im Gange. Elektrofahrzeuge sollen Benziner und Dieselautos ersetzen. Doch woher soll die Energie kommen, wenn Deutschland aus Kernkraft und Kohle aussteigt? Und wie meistern wir die Herausforderung der unbeständigen Windkraft und Solarenergie? „Wir müssen Energieversorgung und Mobilität völlig neu denken“, sagt Prof. Dr. Ulf Schwalbe von der Hochschule Fulda.

In seinem Fachgebiet „Leistungselektronik, Elektromobilität und Regenerative Energietechnik“ entstehen spannende wissenschaftliche Arbeiten, die sich mit praktischen anwendungsbezogenen wirtschaftlichen und technischen Fragen der Stromversorgungs- und Batterieladetechnik beschäftigen. „Unser Ziel ist es, der Industrie und den Verbrauchern praktische Empfehlungen und Impulse zu geben, damit die Energiewende ökologisch, ökonomisch und technisch machbar gestaltet werden kann“, betont Prof. Schwalbe.

Schwalbe war auch Betreuer der Abschlussarbeit von Lukas Böhning, die mit dem Sparkassenpreis und dem Preis der Friedrich-DessauerStiftung prämiert wurde. Der Elektro- und Informationstechniker beschäftigte sich mit dem intelligenten Einsatz von langlebigen Lithium-Ionen-Batterien aus gebrauchten und ausgedienten E-Autos des Typs Audi etron. Sein Thema: „Wirtschaftlichkeit und Einsatzmöglichkeiten von SecondLife Energiespeichersystemen.“ Kooperationspartnerin war die Audi Planung GmbH Fulda.

Die Batterien können mit regenerativen Kraftwerken (Wind, Solar) gekoppelt werden und überschüssige Energie aus dem Energienetz einspeichern und in Zeiten von hohem Energiebedarf, beispielsweise bei schwachem Wind, wieder an das Stromnetz abgeben. Das Besondere: „So kann etwa ein aus alten Fahrzeugbatterien gebauter Energiespeicher ähnlich wie bei einem Spitzenlastkraftwerk sehr schnell auf Schwankungen im elektrischen Netz reagieren. Er wird so aktuell zur Stabilität des europäischen Stromnetzes eingesetzt,“ erklärt der 24-jährige Fuldaer, der Elektrotechnik und Informationstechnik mit der Vertiefung Erneuerbare Energien und Elektromobilität studiert hat und nun einen  Engineering-Masterstudiengang Embedded Systems (Eingebettete Systeme) an der Hochschule Fulda absolviert. Durch den Batteriespeicher ergeben sich ökologische und ökonomische Vorteile, weil Energie aus regenerativen Energiequellen eingespeichert und nicht einfach abgeregelt wird. Die gespeicherte regenerative Energie hilft, Energie aus fossilen Energieträgern wie etwa Kohle, Erdöl und Erdgas einzusparen. „Damit kann auch auf Strom verzichtet werden, der durch Kernkraft oder Kohle erzeugt wurde.“

Batteriespeicher, die extrem langlebig sind und ein Fahrzeugleben überdauern, können auf verschiedenen Wegen eingesetzt werden: Als stationärer Großspeicher mit Speicherkapazitäten im Megawattstunden (MWh)Bereich, der aus mehreren Batterien von stillgelegten Fahrzeugen aufgebaut wird (Second-Life-Batterien) und in ein System zur Wiederverwendung integriert wird, oder die andere Einsatzmöglichkeit ist die Verwendung der E-Autos als temporäre Speicher während des Standbetriebs an der Ladesäule. In diesem Fall lassen sich viele E-Autos zu einem virtuellen Großspeicher vernetzen.

Ein stationärer Großbatteriespeicher der Audi AG wurde 2019 auf dem EUREFCampus (Europäisches Energieforum) in Berlin errichtet und ist am Berliner Stromnetz angeschlossen. Der Speicher entspricht nach Angaben von Audi einem Ladebedarf von rund 200 EAutos und kann mit einer Kapazität von 1,9 MWh den ungefähr dreieinhalb Fußballfelder großen Campus zwei Stunden mit Strom versorgen.  

Mittels Computer-Simulationen berechnete Böhning den Energiebedarf verschiedener Anwendungs-Beispiele, etwa um Verbrauchsspitzen abzufangen (peak shaving) oder um eigene Erzeugungsanlagen, wie Photovoltaikanlagen zu optimieren. Außerdem untersuchte er die Möglichkeiten der Notstromversorgung für Krankenhäuser oder Polizeistationen. Seine Ergebnisse: „Die Nachnutzung von stationären Batteriespeichern ist zwar sinnvoll, weil sie die ökologische Gesamtbilanz von Elektrofahrzeugen verbessert. Unter dem Strich amortisiert sich der Großbatterie-Speicher allerdings erst innerhalb von zehn Jahren, wenn verschiedene Einsatzmöglichkeiten kombiniert werden.

Was die Kosten zurzeit noch in die Höhe treibt, sei der sehr aufwendige Ausbau von bestehenden Akkus aus den E-Autos, die technisch komplizierte Umwidmung zum stationären Batteriespeicher und der Unterhalt des Systems. Um die Kosten zu senken, empfiehlt Böhning den Herstellern, dass die Batterien technisch für die spätere stationäre Verwendung besser angepasst werden sollten. Damit könnten Anreize für große Batteriespeicher geschaffen werden.  

„Das E-Auto selbst kann zum Energiespeicher für das Stromnetz werden“, erläutert Böhning. Man kann den Batteriespeicher eines E-Autos im Standbetrieb verwenden, wenn es über die technische Voraussetzung des bidirektionalen Ladens verfügt. Das heißt, es kann Energie ein- und ausspeichern. Dafür braucht es bestimmte Komponenten oder eine spezielle Ladestation.

„Da ein E-Auto die meiste Zeit des Tages ungenutzt steht, könnte es in dieser Zeit als temporärer Batteriespeicher genutzt werden, indem es geladene und gespeicherte Energie, die es während der Standzeit gar nicht benötigt, wieder an das Stromnetz zurückgibt“, sagt Böhning. So könnten etwa viele E-Autos, wenn die verfügbare regenerative Energie aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasserkraft nicht ausreicht, Schwankungen im Stromnetz ausgleichen und notwendige Energie ins Netz
einspeisen oder auch bewusst mehr Energie einspeichern, wenn davon viel verfügbar ist.

Auch die Verbraucher*innen könnten profitieren: Da ihre Autos selbst Strom puffern und das allgemeine Stromnetz unterstützen, kämen sie zu Preisvorteilen für das Laden. Des Weiteren wäre es möglich, die zusätzliche Energie für ihre eigenen Häuser zwischenzuspeichern und zu nutzen. „Ein vollständig geladener Audi e-tron könnte den vollständigen Strombedarf eines 3Personen-Haushaltes decken“, vergleicht Böhning und führt ein weiteres Beispiel an: Der Strom, der durch eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach des Eigenheims erzeugt wird, kann im E-Auto-Akku zwischengespeichert werden, um das Haus in hohen Bedarfszeiten zu versorgen, etwa abends, wenn viele von der Arbeit nach Hause kommen und kochen. Denkbar ist es auch, dass komplette E-Auto-Flotten von Unternehmen zum Beispiel als eine Ergänzung zur firmeneigenen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach einer Produktionsstätte dienen. Zudem könnten mehrere Fahrzeuge virtuell zusammengeschlossen werden, um ihre Energie an der Strombörse zu handeln. 

Die ökologische Bilanz: „Das Fahrzeug kann bereits während seines Fahrzeuglebens zusätzlich CO2-Emissionen verhindern“, so Böhning. Insgesamt empfiehlt er den Herstellern, künftig ihre Autos auf das bidirektionale Laden vorzubereiten, zum Beispiel durch eine Anpassung der Batteriespannung auf ein höheres Level und durch geeignete Ladesysteme. „Der Vorschlag einer nachhaltigen, mehrfachen Verwendung von Fahrzeugbatteriespeichern bereits während des Fahrzeuglebens hat eine hohe Bedeutsamkeit für eine ökologische und ressourcennachhaltige Elektromobilität. Das Thema ist zugleich für die Energiewende von größter Bedeutung“, hebt Prof. Ulf Schwalbe hervor.