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Literatur- und Quellenverzeichnis
DefinitionHinter dem Begriff Solidarität verbirgt sich ein komplexes Konzept, das einem sprachhistorischen Bedeutungswandel unterliegt, aber auch heute keine alleingültige Definition liefert. Der breite interdisziplinäre Diskurs darüber, was Solidarität genau ist oder nicht ist, ist ein Indikator dafür, wie vielschichtig der Begriff besetzt ist und wie schwierig es mitunter sein kann, das Konzept Solidarität mit all seinen Facetten zu erfassen. Die folgende Definition von Solidarität, von der im Rahmen des vorliegenden Projekts ausgegangen wird, versucht sich daher an einer Art vorherrschendem Minimalkonsens hinsichtlich des Begriffs zu orientieren:
Der Begriff der Solidarität bezieht sich auf ein reziprokes Gefühl des inneren Zusammenhalts einer Gruppe, Gemeinschaft oder Gesellschaft das „gemeinschaftsfördernde Formen des Handelns, v.a. Hilfeleistungen“ (Bayertz/ Boshammer 2008) von Individuen oder Gruppen untereinander hervorbringt (Ebd.). Zentral ist hierbei, dass Solidarität als Handlungstypus verstanden wird. Reine Gefühle oder Einstellungen reichen nicht aus, sind aber zentral! (Tranow 2012: 37,38) Solidarität meint nicht die bloße Befolgung von Solidarnormen, um Sanktionen zu verhindern oder Belohnung zu erzielen (ebd.), vielmehr beruht Solidarität „auf einer subjektiv akzeptierten Verpflichtung oder einem Wertideal “ (Thome 1998: 219) und strebt das Ziel an, eine gerechte gesellschaftliche Ordnung zu erlangen (Tranow 2012: 13).
Digitale SolidaritätsformenUnter Corona-Bedingungen spielte sich das gesellschaftliche Leben zu großen Teilen nur noch digital ab – vor allem soziale Medien spielten dabei eine wichtige Rolle.
BegriffsherkunftSeinen Ursprung hat der Begriff im Römischen Recht, wo mit „obligatio in solidum“ eine Form der Haftung beschrieben wurde, in der jedes einzelne Mitglied für die gesamten Schulden der Gemeinschaft aufkommen musste und umgekehrt die gesamte Gemeinschaft für die Schulden ihrer einzelnen Mitglieder (hierzu u.a. Bayertz 1998: 11). Der Kern dessen, was wir noch heute unter Solidarität verstehen ist hierin also schon angedeutet.
Während der französischen Revolution wurde der semantisch verwandte Begriff der fraternité (Brüderlichkeit) zu einem zentralen Schlüsselbegriff (Baringhorst 1998: 27) und begründete die Idee der gegenseitigen politischen und sozialen Verpflichtung innerhalb einer Gesellschaft, die nicht auf Wohltätigkeit beruhte, sondern als Bürgerrecht eingefordert werden konnte (Dallinger 2009: 24). Der Begriff der Solidarität, der dann als wissenschaftlicher Begriff erstmals im 19. Jahrhundert zunächst von französischen Biolog*innen und Soziolog*innen genutzt wurde, um bestimmte kooperative Verhaltensmuster zu beschreiben, kann sozusagen als eine Art Weiterentwicklung des Prinzips der fraternité interpretiert werden (hierzu u.a. Kneuer/Masala 2015: 7). Neben seiner deskriptiven Funktion in der Soziologie, dient der Begriff Solidarität auch als politischer Begriff und steht als solcher „sozialhistorisch in engem Zusammenhang mit der Herausbildung der industriellen Gesellschaft und den daraus resultierenden sozialen Folgeproblemen“ (Baringhorst 1998: 27). Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff der Solidarität besonders im Rahmen der Arbeiterbewegung „konzeptionell ausgearbeitet und politisch wirksam“ (ebd.: 28) und entwickelte sich in diesem Kontext zum Kampfbegriff mit Klassenbezug (Bayertz/ Boshammer 2008).
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Hybride SolidaritätsformenNeben rein analogen und rein digitalen solidarischen Praktiken gibt es vor allem viele Beispiele, die auf hybride, konvergente Weise verschiedene Medienformen kombinieren.
Begriffsherkunft
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Definition
Analoge SolidaritätsformenGemalte Regenbögen in den Fenstern, Aushänge für Nachbarschaftshilfen, zuhause bleiben… - alles Beispiele für analoge solidarische Praktiken, die während der Corona-Krise tagtäglich zu beobachten waren.
Alles nur Slacktivism? Inwiefern ist Solidarität unter Corona-Bedingungen möglich? Sind die dargestellten Praktiken wirklich solidarisch? Oder handelt es sich vielmehr um sogenannten „Slacktivism“ oder „Feel-Good-Activism“?
Solidarität – der Begriff ist während der Corona-Krise 2020 so allgegenwärtig wie mittlerweile Alltagsmasken und Desinfektionsmittel. Aus den öffentlichen Diskursen rund um die Pandemie und ihre Auswirkungen ist er nicht mehr wegzudenken. Im Rahmen dieses Projekts haben wir uns unterschiedlichen solidarischen Praktiken während der Corona-Krise analytisch genähert und haben hierbei einen interdisziplinären Zugang mit Fokus auf kommunikationswissenschaftliche Perspektiven verfolgt.
Wohin richtete sich die Solidarität? Welche Formen der Solidarität hat die Krise mit ihren beispiellosen Eigenheiten hervorgebracht? Welche Praktiken bargen Konfliktpotenzial und warum?
Solidarität in der Corona-Krise