Jugendbewegungen und der Wandel des Politischen

Seit Mitte der 2000er Jahre kann eine „internationale Konjunktur des Protests“ (Roth 2012: 23) beobachtet werden, die sich neuer Formen des Politischen bedient. Gerade in den Gesellschaften des globalen Südens sind Jugendbewegungen die wichtigsten Protagonisten dieses Protests, der sich oft auf die wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen der vergangenen Jahre bezieht, bisweilen aber auch gar keine dezidierten eigenen Forderungen formuliert, sondern die Pluralität zivilgesellschaftlicher Akteure – etwa durch die Besetzung und Re-Definition öffentlicher Räume – offen und spontan sichtbar macht. Besonders wirkungsvoll werden diese neuen Protestformen durch die rapide gewachsene Verfügbarkeit neuer Medien, da diese neuen Formen der (auch globalen) Vernetzung und des kurzfristig konzertierten kollektiven Handelns ermöglichen. In einigen Ländern des Südens beziehen sich organisierte Jugendbewegungen auf politische und pietistische Formen des Islams, um gegen bestehende Ordnungen aufzubegehren. Gerade seine stärker politisch ausgerichteten Formen dienen den Jugendbewegungen als Legitimationsformen und stellen alternative Handlungsoptionen bereit. Wie die Arabischen Aufstände gezeigt haben, lassen sich die aus dieser Konstellation entspringenden Folgen für die etablierten gesellschaftlichen Ordnungen und politischen Kulturen der jeweiligen Länder bislang kaum auf eine einheitliche Formel bringen. Dies ist auch deshalb der Fall, weil genauere Untersuchungen zu den durch den Protest der Jugend angetriebenen Transformationen weiterhin ausstehen.

Dieser Leerstelle widmet sich das vorliegende Projektvorhaben, indem es die Frage stellt, auf welche Weise Jugendbewegungen die bestehenden politischen Kulturen in den beiden muslimisch geprägten Ländern Senegal und Bangladesch dynamisieren und zu deren Transformation beitragen.

Das beantragte Projekt soll empirisch klären, in welcher Weise die Jugendbewegungen in den beiden Ländern Sinnbezüge zu Islam und Säkularismus sowie Traditionalität und Modernität herstellen und inwieweit sie sich an klaren Formulierungen eines Für und Gegen ausrichten. Viele gegenwärtige globale Protestbewegungen (Occupy, Nuit Debout) verweigern sich gerade derartigen binären Konstruktionen. In theoretischer Hinsicht baut das Projektvorhaben auf Erkenntnissen der Bewegungsforschung sowie der Kultur-, Medien- und Entwicklungssoziologie auf. Methodologisch nimmt es eine mikrosoziologische Perspektive auf das Alltagshandeln von Jugendbewegungen und ihre Protestpraktiken ein. Der Vergleich zweier Jugendbewegungen in zwei unterschiedlichen muslimisch geprägten Gesellschaften ermöglicht die Kartierung analoger und konfligierender Muster, die Formulierung kontextentlasteter Aussagen und die Identifikation allgemeiner Strukturen.

Projektleitung:

Prof. Dr. Eva Gerharz

Prof. Dr. Christian Meyer (Universität Konstanz)

Dr. Sandrine Gukelberger (Universität Konstanz)

Laufzeit: Oktober 2018-März 2022


Projektleitung

Prof. Dr.

Eva Gerharz

Soziologie mit Schwerpunkt Globalisierung

Gebäude 22 (P) , Raum 25
Prof. Dr.Eva Gerharz+49 661 9640-4613
Sprechzeiten
Nach besonderer Vereinbarung per E-Mail