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Nachhaltig wirtschaften – Wie kann das gehen?

05.11.2019

Christian Felber liefert mit seiner Vision einer Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) ein konkretes Konzept und ein alternatives Wirtschaftsmodell für Unternehmen verschiedener Größen und Rechtsformen.

Die Gemeinwohl-Bilanz setzt auf Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung statt auf monetäre Gewinne.

Prof. Dr. Stefanie Deinert, Professorin für Wirtschaftsrecht am Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Fulda und Leitungsmitglied im Zentrum für Gesellschaft und Nachhaltigkeit (CeSSt), hat ein Gutachten zur GWÖ verfasst. Sie sieht die GWÖ als praxistaugliches Modell.

Wie sich die GWÖ in die Praxis von Unternehmen, Gemeinden, Schulen, Hochschulen und Privatpersonen umsetzen lässt, darüber diskutierten Christian Felber und Prof. Dr. Stefanie Deinert unter anderem mit Jana Theuer, Geschäftsführerin des Waldorfschulvereins Wetterau e.V., Freie Waldorfschule Wetterau (GWÖ-Schule), Detlef Siebeck, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Siebeck & Tietgen Partnerschaft mbB sowie Bernd Oppenrieder, ehemaliger Geschäftsführer und Mitglied des Beitrats von Grüne Erde (GWÖ-Unternehmen).

Rund 250 Gäste informierten sich an der Hochschule Fulda über Theorie und Praxis der Gemeinwohl-Ökonomie

Dass es für ein nachhaltiges Wirtschaften ganz konkrete Ansätze gibt, hat der österreichische Publizist Christian Felber am Mittwoch vergangener Woche (30.10.) an der Hochschule Fulda gezeigt. Er stellte seine Vision der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) vor – ein alternatives Wirtschaftsmodell für Unternehmen verschiedener Größe und Rechtsform, das auf gemeinwohl-fördernden Werten aufgebaut ist und das Ziel eines guten Lebens für alle verfolgt. Den Zweck des Wirtschaftens und die Bewertung von Unternehmenserfolg definiert dieses Modell anhand gemeinwohl-orientierter Werte. Grundlage ist die Gemeinwohl-Bilanz, die statt monetärer Gewinne Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit und demokratische Mitbestimmung ins Zentrum rückt. Felber plädierte dafür, die kulturellen Grundwerte auch in der Wirtschaft konsequent einzufordern. Denn das Design der Wirtschaft bestimme maßgeblich das Verhalten. So müssten Anreize wie Steuervergünstigungen konsequent zur Förderung gesellschaftlicher Grundwerte eingesetzt werden. 


Mehr als gesetzlich gefordert

„Die Gemeinwohl-Ökonomie ist eines der alternativen Wirtschaftsmodelle, mit denen wir uns aus wissenschaftlicher Sicht beschäftigen, und zwar unter der Fragestellung, ob und wie dieses Modell in die Praxis umgesetzt werden kann“, erläuterte Prof. Dr. Stefanie Deinert, Professorin für Wirtschaftsrecht am Fachbereich Wirtschaft der Hochschule Fulda und Leitungsmitglied im Zentrum für Gesellschaft und Nachhaltigkeit (CeSSt). Sie hat ein Gutachten zur GWÖ verfasst, in dem sie der Frage nachgeht, ob Unternehmen, die nach der GWÖ bilanzieren, die rechtlichen Vorgaben der CSR-Richtlinie und dem deutschen CSR-RUG zur Berichtspflicht über nichtfinanzielle Informationen und Diversitätsaspekte erfüllen. Ergebnis: Ziele und Inhalte der GWÖ-Bilanz gehen sogar über die gesetzlichen Vorgaben hinaus. Für eine vollumfängliche Übereinstimmung sind allerdings einige strukturelle und formelle Anpassungen erforderlich. 


Praxistaugliches Modell

„Die GWÖ ist ein praxistaugliches Modell“, unterstrich Prof. Deinert. Sie verwies darauf, dass der Club of Rome in seinem neuesten Bericht empfehle, unseren ökonomischen Rahmen ernsthaft zu überdenken. Der Think Tank lade dazu ein, die GWÖ als Orientierungsrahmen für neue Handlungsspielräume zu sehen, um Wirtschaft und Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Auch die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) und der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) schrieben der Gemeinwohl-Bilanz großes Potenzial zu. Die GWÖ könne wirtschaftlichen und sozialen Wandel voranbringen, betonte die Wissenschaftlerin. Das Modell greife immer weiter Raum. Es gewinne auf Bundesebene an Relevanz. Neben Unternehmen bilanzierten bereits auch erste Kommunen nach den Prinzipien der GWÖ. 


Öffentlichkeit schaffen

Zu der Veranstaltung hatten das Wissenschaftliche Zentrum für Gesellschaft und Nachhaltigkeit (CeSSt) gemeinsam mit dem Förderverein des Fachbereichs Wirtschaft und der Gemeinwohl-Ökonomie Regionalgruppe Fulda eingeladen. Das CeSSt bemüht sich als interdisziplinär aufgestellte Forschungseinrichtung verstärkt um Forschungen und Transfer zur konkreten Gestaltung von Nachhaltigkeit. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Fragen sozialer bzw. gesellschaftlicher Nachhaltigkeit und Gerechtigkeit. Denn Konzepte wie die Gemeinwohlökonomie hängen in ihrer Realisierung ganz wesentlich davon ab, inwieweit es gelingt, sie auf die gesellschaftliche Agenda zu bekommen und eine breite soziale Öffentlichkeit zu erreichen. 

Hinweis: Die Urheberrechte für alle Fotos liegen bei Sylvia Pannowitsch.

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