Das Dilemma der Integrationsarbeit - Symposium zu internationalen Fachkräften im Gesundheitswesen

14.11.2019

Integration von internationalen Fachkräften versus spürbarer Personalmangel im Gesundheitswesen - wie eng Wissenschaft und Praxis zusammenarbeiten müssen um die drängendsten Fragen der Gesundheitsversorgung zu lösen, wurde beim Symposium zu internationalen Fachkräften diskutiert.

Angesichts des bereits deutlich spürbaren Personalmangels im Gesundheitswesen sollen internationale Fachkräfte zu einer spürbaren Entlastung beitragen. Da ihre Integration bestehenden Teams aber Arbeit macht, führt der Einsatz internationaler Pflegekräfte zunächst zu einer erhöhten Belastung. Die beabsichtigte Entlastung tritt erst verzögert und nur bei einer für beide Seiten zufriedenstellenden Einarbeitung ein.


So beschrieben Dr. Agnieszka Satola und Nadja Noll, Mitarbeiterinnen im Projekt Integration Internationaler Pflegekräfte (IntIP), einem Umsetzungsprojekt von RIGL, auf dem Symposium „Internationale Fachkräfte im Gesundheitswesen“ am 28.10.2019 im Fulda Transfer das Dilemma der Integrationsarbeit. „Integrationsarbeit ist ein komplexer Prozess, der systematisch geplant und durchgeführt werden muss. Dies erfordert u. a. die Entlastung von anderen Arbeiten, die Definition und Verteilung von Aufgaben sowie die Klärung von Zuständigkeiten und Kompetenzen, die Qualifizierung der Beschäftigten und die Honorierung der Leistung in irgendeiner Form“ erläuterten die Wissenschaftlerinnen in ihrem Vortrag.


Diplom Soziologe Klaus Mathes von der AWO Nordhessen beschrieb diese Situation weitergehend sogar als Loss-Loss-Situation: „Internationale Pflegekräfte, die sich entschieden haben einen Neuanfang in Deutschland in Angriff zu nehmen sind fast immer hochmotiviert und haben sich dem nicht einfachen Prozess des Erlernens einer neuen Sprache unterzogen. Im Prozess der Einarbeitung stellen sie dann aber bald fest, dass die Sprache nicht ausreicht, die neue Realität richtig zu bewerten, das Richtige zu tun und sich dabei so sicher zu fühlen, wie sie es von ‚Zu Hause‘ gewohnt sind. Sie spüren deutlich, dass Sie für die Mitarbeiter ihrer neuen Teams eine zusätzliche Belastung sind“ ergänzt er die Erfahrungen aus der Praxis. Die AWO Nordhessen gehört zu den Einrichtungen, die sowohl mit der internationalen Anwerbung ausgebildeter Fachkräfte als auch mit der Qualifizierung von im Ausland angeworbenen Personen für die Altenpflege reichlich Erfahrung hat.


Das mit 90 Wissenschaftler*innen, Studierenden und Praktiker*innen gut besuchte Symposium des Public Health Zentrums Fulda beschäftigte sich in drei Themenblöcken mit der beruflichen Anerkennung und Qualifizierung der internationalen Fachkräfte, mit deren Erfahrungswelten und mit den Leistungen und Herausforderungen bestehender Teams.


Bereits in der Eröffnung der Veranstaltung verwies Prof. Dr. Heinrich Bollinger, bis 2015 Professor für Organisationssoziologie am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Hochschule Fulda und nunmehr wissenschaftlicher Mitarbeiter von IntIP, darauf hin, dass die Verbesserung der Attraktivität des Pflegeberufes bei der Problemlösung nicht in Konkurrenz zur Integration internationaler Fachkräfte steht. Im Gegenteil: „Deutschland hat im internationalen Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte überhaupt nur dann eine Chance, wenn die Arbeitsbedingungen attraktiv erscheinen“ so Bollinger in seiner Rede.
Gleich zu Beginn des Symposiums zeigte Prof. Dr. Lukas Slotala von der Hochschule für angewandte Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt anhand konkreter Zahlen auf, dass Internationale Pflegekräfte in Hessen einen erkennbaren Beitrag dazu leisten, die Lücke zwischen dem Bedarf an weiteren Pflegekräften und den ausgebildeten Fachkräften, die eine neue Stelle suchen, zu schließen. Dabei waren sich Praktiker*innen und Wissenschaftler*innen einig, dass selbst eine Erhöhung der Ausbildungszahlen nicht reichen wird, den derzeitigen und sich abzeichnenden Mangel zu decken. Sie stimmten aber auch darin überein, dass der Aufwand der Anwerbung und Integration internationaler Fachkräfte dem der Ausbildung einer Fachkraft durchaus vergleichbar ist. Die Beiträge des gesamten ersten Blocks machten aus unterschiedlichen Perspektiven deutlich, wie letztendlich ungeregelt und ohne wissenschaftliche Basis sowohl Verfahren der Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse im Gesundheitswesen als auch die Durchführung von Anpassungslehrgängen ist. Ob damit wirklich Kompetenzen erfasst und verbessert werden scheint mehr als fraglich.

„Obwohl gesetzliche Rahmenregelungen zur Gestaltung dieser Schulungs- und Prüfungsverfahren existieren, ist weitgehen unklar, welche Qualifizierungsinhalte in den auferlegten schulischen und praktischen Phasen sinnvollerweise angeboten werden müssen. Auch ist bei näherer Betrachtung nicht transparent, welche konkreten Qualifizierungsergebnisse bzw. Mindestkompetenzen an die Berufszulassung geknüpft sein sollen“ erläuterte Dr. Juliane Dietrich von der Universität Kassel aus berufspädagogischer Perspektive.


Neben externen Referent*innen wie Dr. Minna-Kristiina Ruokonen-Engler vom Institut für Sozialforschung und ihrer Kollegin Sigrid Rand vom Institut für Wirtschaft, Arbeit und Kultur der Goethe-Universität Frankfurt sowie Mitarbeiterinnen und Kooperationspartner der Projektes IntIP kamen mit Lita Herzig, Ronja Buschmann und Natalie Hubenthal auch drei Promovendinnen der gemeinsam von der Universität Kassel und der Hochschule Fulda getragenen Promotionsplattform „Gesundheitsberufe im globalem Wandel (GeBeGloWa)“ mit ersten Ergebnissen ihrer Dissertationsvorhaben zu Wort.
„Die Veranstaltung hat einmal mehr gezeigt, wie eng Wissenschaft und Praxis zusammenarbeiten müssen um die drängendsten Fragen der Gesundheitsversorgung zu lösen“ erläutert Prof. Dr. Beate Blättner, gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Klemm Leitung des Projektes IntIP, das Konzept des Symposiums.