Fuldaer Projekt geht neue Wege bei Integration internationaler Pflegekräfte

17.09.2018

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Zusammenarbeit als Schlüssel für eine gelingende Integration internationaler Pflegekräfte: Ein Kooperationsprojekt der Hochschule Fulda mit den regionalen Leistungserbringern will konkrete Lösungen für den Fachkräftemangel in der Pflege erarbeiten und Best-Practice-Modelle zur Verfügung stellen – obgleich die Einrichtungen prinzipiell auch im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte stehen.

Auch in der Region Fulda ist der Mangel an Pflegekräften bereits spürbar. Internationale Pflegefachkräfte zu gewinnen und zu integrieren, ist eine von mehreren notwendigen Maßnahmen, um diesen Mangel zu lindern. Im Rahmen eines der Umsetzungsprojekte des „Regionalen Innovationszentrum Gesundheit und Lebensqualität Fulda (RIGL-Fulda)“ entwickeln das Klinikum Fulda, das Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda, die AWO Nordhessen und der Caritasverband für die Diözese Fulda e. V. daher gemeinsam mit der Hochschule Fulda Lösungsstrategien, wie die Integration internationaler Pflegekräfte in die jeweiligen Versorgungseinrichtungen gelingen kann.

Wenngleich die Region um Fulda noch nicht so stark betroffen ist wie andere Regionen Hessens, so zeigt sich auch hier: Es fehlt an Pflegefachkräften. Prognosen zufolge wird sich die Situation in den kommenden Jahren deutlich verschärfen, da die Zahl der Pflegebedürftigen steigt und immer weniger Menschen potentiell für eine Tätigkeit in der Pflege zur Verfügung stehen. Der Hessische Pflegemonitor 2017 sieht für den Landkreis Fulda bis 2030 einen zusätzlichen Bedarf von 600 Pflegefachkräften, bis 2035 von 805 Fachkräften. Dies bedeutet, dass der Beschäftigtenstand bis 2030 um 70 Prozent erweitert werden müsste. Hinzu kommt, dass sich der Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte verschärfen wird: Der Pflegeberuf wird zukünftig noch stärker mit anderen Mangelberufen um geeignetes Personal konkurrieren müssen, insbesondere auch mit anderen Sozialberufen.

Sektorenübergreifender Ansatz: Kranken- und Altenpflege gemeinsam betrachten

Internationale Pflegekräfte in die deutschen Einrichtungen zu integrieren, ist – neben der Erhöhung der Attraktivität der Pflegeberufe und der Verbesserung der Arbeitsbedingungen – eine von mehreren notwendigen Maßnahmen, um den Mangel zu lindern. Doch die einzelnen Einrichtungen stellt dies vor eine erhebliche Aufgabe. Das Klinikum Fulda, das Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda, die AWO Nordhessen, der Caritasverband für die Diözese Fulda e. V. und die Hochschule Fulda wollen daher gemeinsam sektorenübergreifende Lösungsstrategien erarbeiten, wie die Integration internationaler Pflegekräfte gelingen kann, obwohl die Versorgungseinrichtungen recht verschieden sind und auch im Wettbewerb um qualifizierte Arbeitskräfte zueinander stehen. Damit beschreiten sie einen neuen Weg. „Die sektorenübergreifende Zusammenarbeit ist deshalb wichtig, weil die Konstellationen in der Alten- und Krankenpflege sehr unterschiedlich sind“, erläutert Prof. Dr. Beate Blättner vom Fachbereich Pflege und Gesundheit, die gemeinsam mit Prof. Dr. Heinrich Bollinger, bis 2015 Professor für Organisationssoziologie am Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, das Projekt leitet. „Internationale Pflegekräfte sind in der Regel in der Krankenpflege qualifiziert. In der Altenpflege fühlen sie sich mitunter nicht sachverständig und wechseln in die Krankenpflege.“

Das Projekt, das sich kurz IntIP nennt - für Integration Internationaler Pflegekräfte -, will für seine Lösungsansätze primär die bisherigen Erfahrungen mit Integration sowie die Erkenntnisse aus der Forschung nutzen. Aus den Ergebnissen will es Best-Practice-Modelle ableiten, die Pflegeeinrichtungen auch bundesweit als Vorlage dienen können.

Integration und bessere Arbeitsbedingungen: Beides parallel voranbringen

Mit Blick auf die bereits seit Jahrzehnten vorgebrachten Forderungen von Gewerkschaften und  Pflegeverbänden, die Arbeitsbedingungen, das Einkommen und Ansehen des Pflegeberufs zu verbessern, versteht sich das Projekt als Parallelmaßnahme. „Wir sind uns im Projekt einig, dass beide Ansätze keinen Widerspruch darstellen, sondern zeitgleich verfolgt werden müssen. Selbst dann ist noch nicht klar, ob dies ausreichen wird, den Bedarf zu decken“, erläutert Prof. Dr. Heinrich Bollinger.

Die Anwerbung internationaler Pflegekräfte zur Beschäftigung oder Ausbildung in Deutschland ist prinzipiell nicht neu. Im Gegenteil, 2017 wurden in Hessen bereits mehr Anträge auf Anerkennung im Ausland erworbener Berufsabschlüsse in der Krankenpflege gestellt als Anträge auf Zulassung zur staatlichen Prüfung nach Abschluss der Krankenpflegeausbildung.

Welche Herausforderungen mit der Integration verbunden sind, zeigen die Forschungsergebnisse der Hochschule Fulda zur Integration internationaler Pflegefachkräfte in deutschen Pflegeeinrichtungen. „Neben Fragen der Anerkennung der Berufsabschlüsse und der Sprachkenntnisse geht es auch um Fragen der Berufsidentität sowie Vorstellungen der Berufstätigkeit, um kulturelle Unterschiede, wechselseitige Akzeptanz und allgemeine Fragen der Integration“, sagt Prof. Blättner. Hinzu komme: Bei der Gewinnung von Pflegepersonal aus dem Ausland müssten vier Formen unterschieden werden: Die Anwerbung ausgebildeten Fachpersonals aus Staaten der Europäischen Union, von Fachkräften aus Drittstaaten, von Arbeitskräften zur Ausbildung in einem Pflegeberuf in Deutschland und von Geflüchteten für die Ausbildung in einem Pflegeberuf. Diese Formen bringen spezifische Schwierigkeiten mit sich und auch gemeinsame.

Integration gelingt nicht voraussetzungslos: Auch Organisationen müssen sich anpassen

Ob die Integration gelingt, ist dabei keineswegs nur von der Anpassungsbereitschaft der internationalen Pflegekräfte abhängig, sondern ebenso von den Gegebenheiten in den jeweiligen Einrichtungen. „Integration ist nicht gleichbedeutend mit Anpassung an die bestehenden Arbeitsverhältnisse“, betont Prof. Bollinger und zeigt auf, dass darin auch eine Chance für die einzelnen Einrichtungen liegt: „Kulturelle Unterschiede können ebenso für Lernprozesse in der Institution genutzt werden.“ Dass die Integration für die Beschäftigten in den bestehenden Pflegeteams anfangs häufig mit Mehraufwand verbunden ist, hat das Projekt im Blick. „Wir arbeiten zunächst mit den Pflegekräften, die schon da sind“ sagt Prof. Blättner. „Entlastung tritt nur dann ein, wenn die Teams bereit sind, diese Leistungen vorweg zu erbringen.“ Integration gelinge nur, wenn sowohl der Beitrag der in den Einrichtungen Beschäftigten wie auch die Leistungen der internationalen Arbeitskräfte gewürdigt würden und gegenseitiger Respekt wie Anerkennung gefördert werde. Unabdingbar für das Gelingen des Projekts ist unter anderem die enge Zusammenarbeit mit den Personalverantwortlichen sowie der jeweiligen Beschäftigtenvertretung.

Ethische Fragen im Blick: Keine Verschiebung von Versorgungsmängeln

Zudem treten ethische Fragen auf: „Wenn qualifiziertes Pflegepersonal aus anderen Ländern angeworben wird, besteht das Risiko, dass Versorgungsmängel nur zwischen Staaten verschoben werden und die sozial ungleiche Verteilung von Gesundheitschancen zwischen Ländern verstärkt wird. Das wäre aus Public Health Sicht ethisch nicht zu vertreten,“ erläutert Prof. Blättner. „Auch die Bedingungen der Arbeitskräftevermittlung müssen betrachtet werden. Das Spektrum reicht von seriösen Angeboten bis hin zu Formen modernen Menschenhandels.“

Das Projekt hat eine Laufzeit bis Ende 2022. Zwischenergebnisse werden der Fachöffentlichkeit und der regionalen Öffentlichkeit in Form von Publikationen, Pressemitteilungen und öffentlichen Veranstaltungen präsentiert.