„Ich will etwas bewirken“

25.06.2025
Luisa Kulla steht auf einer Wiese, die im Hintergrund begrenzt ist von einer dichten Reihe von Büschen. Sie trägt einen pinkfarbenen Pulli mit Hochschullogo und lacht in die Kamera.

Luisa Kulla hat sich bereits in ihrer Bachelorarbeit mit der Gemeinschaftsverpflegung auseinandergesetzt. Schwerpunkt hier war das Thema Lebensmittelverschwendung. Die 24-jährige Masterabsolventin lebt in Fulda und will auch in Zukunft ihr Wissen über Ernährung und Nachhaltigkeit in die Region einbringen. (Foto: privat)

Oecotrophologin Luisa Kulla beschäftigt sich mit der Gemeinschaftsverpflegung. Ihr Ziel: eine nachhaltige Produktionsweise

Schule, Arbeitsplatz, Krankenhäuser – etwa 17 Millionen Menschen essen täglich in der Gemeinschaftsverpflegung. Wie die Speisen produziert werden, wirkt sich unter anderem auf Geschmack und Nährwerte, die Menge an Verpackungsmüll, den Energieverbrauch und nicht zuletzt auf die Zufriedenheit von Mitarbeitenden und Gästen aus. Masterabsolventin Luisa Kulla hat die vier gängigen Speisenproduktionssysteme hinsichtlich einer nachhaltigen Produktionsweise untersucht – und dabei auch eigene Annahmen auf den Prüfstand gestellt.

Luisa Kulla, Sie haben Speisenproduktionssysteme untersucht – das hört sich abstrakt an. Was begeistert Sie für dieses Thema?

Das Thema ist überhaupt nicht abstrakt. Im Gegenteil: Es ist sehr praxisnah. Und genau das ist mir sehr wichtig. Ich bin ein praktischer Mensch, und mir liegt vor allem die Nachhaltigkeit am Herzen. Ich will etwas bewirken. Da ich selbst in einer Großküche gearbeitet habe, kenne ich die Abläufe. Ich weiß, dass es einen Unterschied macht, ob gekocht und direkt serviert wird, ob Speisen warmgehalten aus einer Zentralküche geliefert werden oder zunächst gekühlt bzw. tiefgekühlt und dann regeneriert werden – die Auswirkungen für die Umwelt, aber auch ganz unmittelbar für die Gäste sind unterschiedlich. Zum Beispiel hängt es von den Prozessen hinter den Kulissen ab, wie flexibel und individuell auf Wünsche der Gäste reagiert werden kann. Mich mit einem so praktischen, nachhaltigen und relevanten Thema auseinanderzusetzen und neue Daten für ein Feld zu erheben, in dem es bis dahin noch keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse gab, das hat mich gereizt.

Sie konzentrieren sich auf die ökologische und soziale Dimension der Gemeinschaftsverpflegung. Warum gerade auf diese Aspekte?

Meine Arbeit war Teil einer größeren, vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Auftrag gegebenen Studie. Ich habe mit einer Forschungsgruppe zusammengearbeitet, die noch weitere Faktoren untersucht hat. Die Forschungsgruppe hat Literatur ausgewertet und Modellküchen erstellt, um beispielsweise die Nährstoffverluste, die sich bei Verwendung der verschiedenen Systeme ergeben, zu vergleichen oder Energie- und Wasserkosten zu berechnen. 

Daten, die sich nicht auf diesem Wege erheben ließen – unter anderem die Zufriedenheit der Mitarbeitenden – wurden durch eine Online-Befragung erfasst. Und hierbei war ich beteiligt. Gemeinsam mit der Forschungsgruppe habe ich eine Online-Umfrage erstellt und durchgeführt. In ganz Deutschland habe ich Einrichtungen und Träger der Gemeinschaftsverpflegung, wie die Vernetzungsstellen der Schulverpflegung, Krankenhausträger, Senior*inneneinrichtungen, Caterer sowie die Betriebsleiter einiger Großküchen abtelefoniert, um sie für die Befragung zu gewinnen. Wir wollten ja repräsentative Ergebnisse erhalten. Zugegeben, das war ein herausfordernder Prozess und eine Geduldsprobe, weil ich in einen festen Zeitplan integriert war. Meine Ziele, etwas für die Gesellschaft zu bewirken und die Forschungsgruppe zu unterstützen sowie meine Familie und Freunde haben mich immer wieder motiviert! 

Die Einbindung in ein größeres Forschungsprojekt war sicherlich eine spannende Erfahrung.

Auf jeden Fall. Das Thema ist komplex. Mit einer Forschungsgruppe zusammenarbeiten zu dürfen, hat mir sehr geholfen. Anfangs haben wir den Fragebogen gemeinsam optimiert. Auch bei der Verbreitung der Umfrage haben wir zusammengearbeitet, und schließlich hat mich die Forschungsgruppe bei der Auswertung der Daten unterstützt. Dennoch haben wir die Daten getrennt voneinander ausgewertet. So konnte ich meinen eigenen Schwerpunkt setzen, aber auch wichtige Erfahrungen mit der statistischen Auswertung der Daten sammeln.

Ist es gelungen, genügend Einrichtungen zur Teilnahme zu motivieren? 

Leider nur zum Teil. Für die ökologische Dimension sind trotz aller Bemühungen nicht genügend Daten für eine Auswertung zusammengekommen. Aber die Forschungsgruppe konnte die Lücke füllen. Sie hat parallel zu meiner Umfrage mithilfe der Literaturrecherche und der Modellküchen genügend Daten zusammengetragen, um ein repräsentatives Ergebnis zu erzielen. Demnach hat das Cook & Hold-System, also das Kochen und Warmhalten der Speisen, unter ökologischen Gesichtspunkten am besten abgeschnitten.

Für die Dimension Soziales konnte ich dagegen belastbare Ergebnisse vorlegen. Hier liegt das Cook & Serve-System vorne, also die Produktion der Speisen vor Ort und das direkte Servieren. Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist bei diesem System am höchsten, da Arbeitszeiten oft flexibel gestaltet und Arbeitsbereiche häufig rotiert werden. Außerdem ist die Flexibilität gegenüber Gästewünschen am höchsten. Eindeutige Unterschiede zeigten sich bei Laktoseintoleranz, Allergien, verschiedenen Portionsgrößen.

Hatten Sie das so erwartet?

Man könnte meinen, frisch zu kochen und die Speisen direkt auszugeben sei eine besondere Belastung für die Mitarbeitenden. Aber die Befragung zeigt ein anderes Bild. Was das flexible Reagieren auf Wünsche von Gästen betrifft, hatte ich damit gerechnet, dass Cook & Serve am besten abschneidet, weil alles frisch vor Ort zubereitet werden kann. Ich hätte aber nicht gedacht, dass dieses System auch in puncto Mitarbeitendenzufriedenheit vorne liegt. Schließlich fallen in den anderen Systemen zum Teil weniger und einfachere Aufgaben an. Aber klar, es macht nicht unbedingt zufriedener, wenn man immer dieselbe Aufgabe erledigt, immer nur Essen ausgibt wie in den Cook & Hold-Ausgabeküchen.

Wie wichtig die Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist, ist mir erst im Laufe der wissenschaftlichen Beschäftigung mit dem Thema bewusst geworden. Eine hohe Zufriedenheit wirkt sich positiv auf die Gesundheit der Mitarbeitenden aus. Leider wird die soziale Dimension beim Thema Nachhaltigkeit noch oft vernachlässigt. Aus meiner Sicht sollte die Mitarbeiterzufriedenheit viel stärker berücksichtigt werden! Das heißt auch: Wenn es um Nachhaltigkeit geht, müssen wir Ökologie und Soziales viel stärker zusammendenken. 

Empfehlen sie also das Cook& Serve-System?

Es gibt nicht die eine richtige Lösung: Entscheiderinnen und Entscheider müssen Prioritäten setzen und abwägen, welches System am besten zu der jeweiligen Einrichtung und den spezifischen Gegebenheiten passt. Denn soziale und ökologische Faktoren können durchaus in Widerstreit stehen. Und wie die Systeme zum Beispiel in ökologischer Hinsicht abschneiden, ist nicht zuletzt auch davon abhängig, inwieweit erneuerbare Energien zum Einsatz kommen und wie weit der Transportweg zwischen der Zentralküche und der Ausgabe- bzw. Regenerierküche ist. Die wissenschaftliche Untersuchung liefert lediglich Anhaltspunkte, um alle Faktoren bestmöglich zu durchdenken und dann vor Ort eine Entscheidung zu treffen. 

Wie hilft Ihre wissenschaftliche Arbeit, die Gemeinschaftsverpflegung künftig besser zu gestalten?

Meine Arbeit ist in den 15. Ernährungsbericht der deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) eingeflossen, der im November 2024 veröffentlicht wurde . Auf dieser Basis können nun bewusste Entscheidungen für das jeweils nachhaltigste System getroffen werden. Die Untersuchung liefert aber nicht nur Entscheiderinnen und Entscheidern eine wichtige Datengrundlage, sondern ermöglicht auch den Gästen der Gemeinschaftsverpflegung mehr Transparenz.


Hintergrund
 

Was sind Speisenproduktionssysteme?
Speiseproduktionssysteme sind Systeme, die in der Gemeinschaftsverpflegung, etwa in Kitas, Schulen, Krankenhäuser, Firmen eingesetzt werden. Sie erklären, wie die Speisen zubereitet und bis zur Ausgabe verarbeitet werden. Unterschieden werden die vier gängigen Speiseproduktionssysteme „Cook & Serve“, „Cook & Hold“, „Cook & Chill“ sowie „Cook & Freeze“ sowie verschiedene Küchensysteme: zum einen die Einzelküchen, die Speisen vor Ort herstellen und ausgeben (Cook & Serve) und zum anderen die Zentralküchen, die Speisen herstellen und anschließend in warmgehaltener, gekühlter oder tiefgekühlter Form (Cook & Hold, Cook & Chill, Cook & Freeze) an Ausgabe- oder Regenerierküchen transportieren.
 

Fokus Gemeinschaftsverpflegung
Immer mehr Menschen nehmen ihre tägliche Hauptmahlzeit außer Haus zu sich. Die Gemeinschaftsverpflegung ist damit ein wichtiger Hebel für eine gesunde und nachhaltige Verpflegung. Im Fachbereich Oecotrophologie wird in zahlreichen Projekten und Abschlussarbeiten erforscht, wie sich die Versorgungssysteme so gestalten lassen, dass sie
Klima und Umwelt schonen, Abfälle reduzieren, die Gesundheit fördern und die Transformation hin zu einer stärker pflanzenbasierten Ernährung unterstützen können.  

 

Die  Studie wurde im Rahmen des 15. DGE-Ernährungsberichts durchgeführt und aus Mitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) durch den Projektträger Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gefördert (Förderkennzeichen 2823HS001). Der DGE-Ernährungsbericht wird von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) im Auftrag des BMEL herausgegeben. Kooperationspartner waren eine Forschungsgruppe des ife Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft e.V., Kiel und des Fachbereichs Oecotrophologie, Umwelt- und Nachhaltigkeitswissenschaften an der Hochschule Fulda.

Das Interview erschien erstmals auf der regionalen Wissenschaftsseite im Marktkorb am 7.  Juni 2025. Als PDF ist die Seite hier abrufbar.