Zentrum für nachhaltigen Innovations- und Technologie-Transfer

Einführung

Nachhaltigkeit ist weltweit zu einem zentralen Begriff gesellschaftlichen Handelns und gesellschaftlicher Verantwortung geworden. Der Klimawandel – mit teilweise schon dramatischen Auswirkungen – ist inzwischen für jeden spürbar geworden. Der 2013 erschienene Sachstandbericht des IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) erhärtet die Gewissheit, dass der Mensch mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hauptverantwortlich für die Erwärmung des Klimasystems ist. Deshalb können unsere derzeitige Wirtschaftsweise und Lebensstil nicht dauerhaft weitergeführt werden, wenn wir unsere lebensnotwendigen Umweltressourcen erhalten wollen.

Im Zeitalter des Klimawandels bleiben die Hochschulen für angewandte Wissenschaften, Universitäten und außeruniversitären Forschungsinstitute die Denkzentren zur nachhaltigen Gestaltung unseres Lebensraumes.

Die Lebensmittelbranche befindet sich schon heute in einem permanenten Umbruch. Neue Ernährungstrends, aber auch ganz besonders die Umstellung auf eine nachhaltige und regionale Produktion spielen hierbei eine übergeordnete Rolle.

Um den Anforderungen bzgl. Nachhaltigkeit (siehe auch Ausgabe Durchblick N| Magazin für Nachhaltigkeit von 01/2022)im Bereich der Lebensmitteltechnologie gerecht zu werden, ist die Extrusion die Wahl der Technologie. Sie ersetzt die konventionelle Technologie durch die Kombination der thermischen und mechanischen Prozesse, sogenannte thermo-mechanische Prozesse. Der Extrusionsprozess vereinigt allein die vielen Einzelprozesse in einem einzigen, kontinuierlichen Prozess und führt dadurch zur einer starken Reduktion der eingesetzten Verarbeitungsschritte bzw. Verarbeitungsenergie und damit direkt des CO2-Ausstoßes.

Lebensmittel herstellende Betriebe in Deutschland gehören ganz überwiegend zu den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die im wirtschaftlichen Gesamtgefüge eine wesentliche Rolle spielen. Sie sind daher ein wichtiger Faktor bei dem Erreichen der Klimaneutralität, deren Erreichen sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftlich für heute und morgen verträglich sein muss. Der Fachbereich Lebensmitteltechnologie ist eng vernetzt mit kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und unterstützt diese, innovative, CO2-arme Produkte und Prozesse, basierend auf dem Extrusionsprozess, zu designen.

Zielsetzung des Projekts

Im Mittelpunkt von Zentrum für nachhaltigen Innovations- und Technologie-Transfer (InnoCenT) stehen die KMU, da sie bei immer niedrigeren, nicht kostendeckenden Verbraucherpreisen zwar zur Innovation gezwungen sind, jedoch nicht über die dafür notwendigen konkurrenzfähigen Forschungs-und Entwicklungsinfrastrukturen verfügen. Daher scheitern viele Ideen von der Generierung bis hin zur Markteinführung an der Umsetzung. Die Transferstrategie zielt darauf, die Herausforderungen bzgl. der Eindämmung der Erderwärmung in den Mittelpunkt der Innovationen zu stellen. Statt CO2-intensive Technologien wurden innovative Technologien zur Eindämmung der Erderwärmung im Praxismaßstab integriert.

Ziel ist, durch ein Management basierten Wissens- und Technologietransfer, die KMU imstande zu bringen, die EU-Klimaschutzziele zur Eindämmung der Erderwärmung als Messlatte für eigene Produkt- und Prozessentwicklungen zu setzen. Endziel ist, durch die Prozessinnovation, die Entwicklung von CO2-armen Produkten und Prozessen in der Unternehmenskultur zu verankern, damit die Unternehmen nachhaltig mit dieser Wirtschaftsweise für viele Jahre fortfahren können

Hierfür hat sich der Fachbereich Lebensmitteltechnologie der Hochschule Fulda als Ziel gesetzt, ein kompetentes Transferzentrum für Forschung, Innovation und Technologietransfer aufzubauen, um Kooperationen mit der Wirtschaft im Bereich CO2-reduzierendem Technologietransfer zu intensivieren. Endziel war, eine Transferplattform zu schaffen, die es den regionalen, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) ermöglicht, innovative, CO2-arme Produkte und Prozesse, basierend auf dem Extrusionsprozess, zu designen.

Das „Zentrum für nachhaltigen Innovations- und Technologie-Transfer“ (InnoCenT) wurde in 3 Schritten realisiert.

  1. Die Entwicklung im Labor bzw. Technikum-Maßstab
  2. Die Pilotanlage zur Durchführung des Transfers im Industriemaßstab
  3. Den finalen Industriemaßstab, der auf einer Produktionsanlage in der Industrie durchgeführt wird.

Die Schritte 1 und 2 sind Aufgaben der Forschungs- und Transferplattform des Fachbereichs Lebensmitteltechnologie der Hochschule Fulda. Zur Anschaffung der apparativen Basisanlagen sowie deren Betrieb wurde im Jahr 2020 am Fachbereich Lebensmitteltechnologie der Hochschule das EFRE-Projekt (Nr. 20007472 / Förderhöhe: 500.000 €) „Transfer Center Lebensmittel der Zukunft – TLZ“ beantragt.  Im Rahmen dieses Vorhabens wurden die notwendige technische und personelle Ausstattung zur Durchführung der Entwicklung im Technikum-Maßstab finanziert (siehe hier weitere Infos zum EFRE-Projekt).  Das Vorhaben wurde zum 01.11.2020 gestartet und ist gegen Ende 2022 erfolgreich abgeschlossen worden.

Im Rahmen des aktuellen Antrags „Zentrum für nachhaltigen Innovations- und Technologie-Transfer“ (InnoCenT, REACT-EU-Projekt Nr. 20008791 / Förderhöhe: 1.000.000 €) wurde eine Pilotanlage für die Extrusion sowie die dafür notwendigen Peripherien angeschafft, um die durch das aktuelle EFRE-Vorhaben „TLZ- Transfer Center Lebensmittel der Zukunft“ generierten Ergebnisse im Industriemaßstab, unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeitskriterien, zu übertragen (sog. Scale Up) (siehe hier weitere Infos zu REACT-EU).  Damit ergänzen sich TLZ und InnoCenT-optimal und schaffen gemeinsam die Voraussetzungen für nachhaltige und innovationsbasierte Forschungs- und Transferaktivitäten für die zukünftige Generation.

Meilensteine und Arbeitspakete

AP 1: Anschaffung und Aufbau der Geräte

Anschaffung der instrumentellen F&E-Infrastruktur für Entwicklungsaktivitäten im Industriemaßstab (komplette Extrusionsanlage) und zur Charakterisierung prozessbedingter rheologischer und chemischer Eigenschaften extrudierter Produkte. Angeschafft wurden: Ein Doppelschneckenextruder für die komplette Breite der Extrusion pflanzlicher Proteine, ein voll ausgestatteter Oszillation Rheometer (DMA) kombiniert mit einem Raman Spektrometer (Rheo-Raman-Technologie) sowie ein Inline NIR Spektrometer zur Prozesscharakterisierung. Diese Phase dauerte von Anfang März 2022 bis 31.12.2022 und umfasste die Durchführung von Testmessungen bei verschiedenen Geräteherstellern vor der Kaufentscheidung sowie Ausschreibung bzw. Kauf, Lieferung und Aufbau der Infrastruktur.

 

AP 2: Inbetriebnahme der Geräte

Nach dem Aufbau der Geräte folgte die Inbetriebnahme und der Test der Geräte auf Funktionstüchtigkeit innerhalb der Spezifikation. Da es sich hier um industrienahe Technik handelt, beanspruchte auch diese Phase ca. 2-3 Monate und wurde Ende März 2023 erfolgreich abgeschlossen.

 

AP3: Entwicklungs- und Transferaktivitäten mit der Industrie

Nach einer erfolgreichen Inbetriebnahme steht jetzt das „InnoCenT“ bereit für Entwicklungs- und Transferaktivitäten mit der Industrie. Darunter sind Prototypenentwicklungen sowie die Optimierung der Entwicklungsprozesse im Zentrum zu verstehen, gefolgt vom Technologie-Tranfer in der Industrie unter Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien.

Ziel ist, durch ein Management basierten Wissens- und Technologietransfer, die KMU imstande zu bringen, die EU-Klimaschutzziele zur Eindämmung der Erderwärmung als Messlatte für eigene Produkt- und Prozessentwicklungen zu setzen. Endziel ist, durch die Prozessinnovation, die Entwicklung von CO2-armen Produkten und Prozessen in der Unternehmenskultur zu verankern, damit die Unternehmen nachhaltig mit dieser Wirtschaftsweise für viele Jahre fortfahren können.

Verlauf des Vorhabens

Zuerst wurden alle Geräte, d.h. Extrusionsanlage (inklusive aller Peripherie-Geräte), Oszillations Rheometer inkl. Raman-Spektrometer und Inline NIR ausgeschrieben. Um den aktuellen Stand der Technik darzustellen, erfolgte eine Marktsondierung und eine Kontaktaufnahme zu den führenden Herstellern. Basierend darauf wurden zielführende Lastenhefte erstellt, welche die Umsetzung des Projektes vorantrieben.

Das Herzstück des Projekts, die Extrusionsanlage, besitzt hohe Durchsatzraten, sowohl im Low-Moisture- als auch im High-Moisture- Bereich. Diese Pilotanlage arbeitet in Industriemaßstäben, wodurch das Scale-Up vorangetrieben wird. Dadurch hebt sich die Hochschule attraktiv vor allem für KMUs hervor in Bezug auf nachhaltiger und innovativer Produktentwicklung, da von Produktidee bis zum Prototypen alles im Technikum umgesetzt werden kann. Um die Standortbedingungen der Anlage gewährleisten zu können, mussten erforderliche bauliche Maßnahmen durchgeführt werden. Diese baulichen Maßnahmen mussten alle von Fachfirmen durchgeführt werden und waren daher sehr zeitintensiv. Daraufhin wurde die Extrusionsanlage erfolgreich aufgebaut und in Betrieb genommen. Auf der Extrusionsanlage erfolgte schon in der KW 16 (2023) die erste Extrusion pflanzlicher Proteine im großen Maßstab.

Neben der Kompetenz der industrienahen Produktion eines Prototyps, wurde im Zuge des Projektes „InnoCenT“ eine solide analytische Infrastruktur geschaffen. Hierdurch können texturierte Produkte zum einen optimiert werden, zum anderen dienen die Analysen zur Erschließung der komplexen Zusammenhänge in Bezug auf die Texturierung der pflanzlichen Proteine. Um diese komplexe Eigenschaftsgestaltung nachvollziehen zu können bzw. zur Aufklärung der Texturierungsmechanismen bei der Nass-Extrusion, stehen im Rahmen dieses Projektes die physikochemischen Charakterisierungsmethoden sowohl am Anfang als auch am Ende der Produktentwicklung. Innovativ ist hier insbesondere die Kombinationsmöglichkeiten der physikalischen und chemischen Analysenmethoden wie Rheologie und Raman-spektroskopie, Morphologie und chemische Analytik (REM-EDX) sowie Extrusion und Inline NIR-Charakterisierung zur Prozessoptimierung.

Hierfür wurde ein moderner wissenschaftlicher Arbeitsraum geschaffen, wobei durch Fachfirmen jegliche baulichen Maßnahmen erfolgreich durchgeführt worden sind. Dadurch wird eine perfekte, wissenschaftliche Arbeitsatmosphäre geschaffen, wobei auch genügend ausgestattete Arbeitsplätze vorhanden sind, an denen die Wissenschaftler konzentriert der Forschungsarbeit nachgehen können. Um perfekte Messbedingungen gewährleisten zu können, musste der Raum vollkommen klimatisiert und belüftet werden.

Im wissenschaftlichen Arbeitsraum befindet sich das Oszillationsrheometer. Damit dieses sachgemäß betrieben werden kann, wurde ein adäquater Arbeitstisch erworben, wobei das Zubehör fachgerecht gelagert werden kann. Aufgrund des umfangreichen Zubehörs können Produkt-Prozess-Struktur-Funktionalität-Wechselwirkungen gemessen und interpretiert werden. Das Oszillationsrheomerter bietet die Möglichkeit, die Prozessschritte (Erhitzen und Rühren), welche auch im Extruder stattfinden, zu simulieren und die rheologischen Veränderungen währenddessen zu erfassen. Zudem können auch die sensorischen Eigenschaften, wie z.B. das Mundgefühl eines fertigen Texturates bestimmt und erschlossen werden. Um sowohl die Messung als auch die Auswertung der Resultate verbraucherfreundlich zu gestalten, wurde das passende Softwarepaket mitgeliefert. Während der Schulung in KW 15 (2023) erfolgten erste Inline-Messungen von pflanzlichen Proteinen, um die rheologischen Vorgänge während des Erhitzungs- und Mischprozesses analysieren zu können. Des Weiteren wurde das Rheometer mit einer Raman-Kopplung erweitert, damit die rheologischen Eigenschaften mit den chemischen verknüpft werden können. Dies bietet in Bezug auf die Forschung und Produktentwicklung ganz neue Möglichkeiten, da die Daten direkt miteinander verknüpft werden und nicht isoliert voneinander erhoben werden. Dadurch können neue Zusammenhänge erfasst werden und die Produktentwicklung innovativ vorangetrieben werden.

Neben der periphären Analyse bietet die angeschaffte Inline-NIR Anlage diverse Analysetools während dem Extrusionsprozess. Aufgrund dessen gelingt es, die Zusammensetzung während des Prozesses zu analysieren, wodurch sich ganz neue Erkenntnisse ergeben. Diese Kombination aus physikochemischen Analysedaten während des Prozessgeschehens und nach diesem, ebnet die Weichen für eine innovative und erfolgreiche Forschungsarbeit und Produktentwicklung.

 

Ergebnisse

AP1: Anschaffung und Aufbau der Geräte

Nach dem aktuellen Stand ist dieses Arbeitspaket vollständig abgeschlossen. Alle im Projekt aufgeführten Anlagen wurden beschafft und ordnungsgemäß aufgebaut.

 

AP2: Inbetriebnahme der Geräte

Alle Anlagen wurden in Betrieb genommen und auf Funktionstüchtigkeit innerhalb der Spezifikation getestet. Auch die Einweisung der Mitarbeiter wurde größtenteils umgesetzt. Noch fehlende Schulungstage werden zeitnah angesetzt nachdem erste Forschungsarbeiten an den Geräten durchgeführt worden sind, um sich mit den Herstellern nochmals intensiv austauschen zu können.

 

AP3: Entwicklungs- und Transferaktivitäten mit der Industrie

Dieses Arbeitspaket steht noch zu Beginn, wobei schon erste Forschungsarbeiten stattfinden. Diese zielen darauf ab, die generierten Ergebnisse zu veröffentlichen und die Hochschule Fulda in den Fokus bezüglich der Expertise Extrusion zu rücken. Des Weiteren ist auch angedacht, die Extrusionsanlage im Rahmen des Moduls „Produktentwicklung“ als festen Bestandteil zu integrieren. Es ist auch denkbar, in Zukunft einen wissenschaftlichen Mitarbeiter/in als Schnittstelle zu rekrutieren, welcher zum einen die Anlagen betreut und Drittmittel generiert und zum anderen die Zusammenarbeit mit der Industrie betreut und vorantreibt. Durch die Schaffung der Produktions- und Analytik-Infrastruktur wurden alle Grundlagen für die Plattform geschaffen. Aufgrund der bereits bestehenden Zusammenarbeit vor allem mit regionalen Industriepartnern gibt es schon erste Ideen, um das regionale Forschungszentrum weiter auszubauen und zu bestärken.

 

Laborleitung

Prof. Dr.

Mamadou Diakité

Technologie tierischer Lebensmittel

Gebäude 31 , Raum 222
Prof. Dr.Mamadou Diakité+49 661 9640-508
Sprechzeiten
Temine bitte nach Vereinbarung