Strategien der Unterstützung betroffener Frauen in Hessen

gefördert durch das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst

Projektleitung:  Prof. Dr. Beate Blättner 

Wissenschaftliche Mitarbeiterin:  M.Sc. Elisabeth Hintz (Gesundheitskommunikation; Public Health)

Wissenschaftliche Hilfskraft: B.Sc. Regina Will (Gesundheitsmanagement; Public Health)

Laufzeit: 01.10.2010 – 31.03.2012

Kooperationspartner: unterstützt vom Hessischen Ministerium für Arbeit, Familie und Gesundheit; Integration in das Hessische Netzwerk Gewaltprävention im Gesundheitswesen

Publikationen

Will R, Hintz E, Blättner B (2012): Gesundheitliche Folgen von Stalking. Das Gesundheitswesen 74, 05: 315–321.

Hintz E, Will R, Blättner B (2012): Stopp Stalker: Strategien der Unterstützung betroffener Frauen in Hessen. pg-papers 04/2012, Fulda. (ISBN 978-3-940713-06-3).

Hintergrund und Fragestellung

Trotz der Unterschiedlichkeit möglicher Stalking-Kontexte sprechen die Daten aus Hellfeld- und Dunkelfeld-Studien dafür, Stalking primär als eine Gewaltform zu begreifen, die Männer gegenüber Frauen ausüben. In Deutschland widerfährt dies jeder fünften bis sechsten Frau.

Stalking zielt auf Demoralisierung. Vor allem die psychische Gesundheit und das soziale Wohlbefinden derjenigen, denen Stalking widerfahren ist, können beeinträchtigt sein. Die Art der gesundheitlichen Folgen ist von Art, Ausmaß und Dauer des Stalkings und von der Wahl der Bewältigungsstrategien abhängig.

Passive Coping-Strategien werden als Risikofaktor für Posttraumatische Belastungsstörungen und Depressionen diskutiert. 

Es interessierte, inwieweit das professionelle Hilfesystem Empowerment-Prozesse der Frauen, denen Stalking widerfährt, unterstützt, um der Demoralisierung entgegen zu wirken.

Vorgehen

Es wurden 13 leitfadengestützte Interviews mit Akteuren aus dem Main-Kinzig-Kreis sowie Expertinnen und Experten aus dem regionalen und nationalem Umfeld geführt, um die Wissensbestände im Hilfesystem zu rekonstruieren. Die im Anschluss verfassten Erinnerungsprotokolle wurden in Anlehnung an das offene, selektive und axiale Kodieren der Grounded Theory ausgewertet.

Ergebnisse

Aus der Perspektive des Hilfesystems folgt die Hilfesuche Betroffener keinem festen Muster. Professionelle Hilfe wird aber oft erst dann in Anspruch genommen, wenn eine massive Beeinträchtigung im Alltag vorliegt. Die Wahrnehmung der Betroffenen im Hilfesystem variiert von passiven und traumatisierten Personen, die den Aufgaben des täglichen Lebens nicht gewachsen sind, zu sich aktiv wehrenden Persönlichkeiten.

Psychosoziale Hilfe soll aus Sicht der Akteure dem individuellen Fall angepasst sein und enthält Elemente der Information über Handlungsoptionen, der Stabilisierung, teils mit alltagspraktischen Hilfen verbunden, und der Aktivierung. Auch Sicherheitstrainings werden angeboten. Eine frühzeitige psychotherapeutische Versorgung zur Prävention und Behandlung gesundheitlicher Folgen scheint nicht flächendeckend gewährleistet zu sein.

Aufgrund regional unterschiedlicher Strukturen und nicht auf Stalking spezialisierter Beratungsstellen ist es nicht einfach, sich im Hilfesystem zu orientieren. Die Einrichtungen bieten unterschiedliche Schwerpunkte an. Sie begreifen sich auch als Vermittler innerhalb des Hilfesystems sowie zwischen Betroffenen und Gesellschaft.

Die Aufnahme von Stalking als Straftatbestand bietet verbesserte rechtliche Handlungsmöglichkeiten und hat zu einer Sensibilisierung in der Gesellschaft geführt. Dennoch wird der § 238 StGB in seinen Auswirkungen aufgrund von unpräzisen Rechtsbegriffen, der Verfahrensdauer und der rechtsstaatlichen Logik der Beweisführung auch kritisch gesehen. Die Kenntnis seiner Möglichkeiten bei den relevanten Akteuren scheint regional unterschiedlich zu sein. Eine gesellschaftliche Anerkennung von Stalking als Gewalt ist in Teilen erfolgt.

Schlussfolgerungen

Frauen, denen Stalking widerfährt, haben dann eine Chance auf eine professionelle Unterstützung eines Empowerment-Prozesses, der aus der Spirale der Demoralisierung hinausführen kann, wenn sie Stalking als solches erkennen, aktiv Hilfe suchen, in der Suche an Personen bzw. Einrichtungen geraten, die sich die Idee des Empowerments intensiv zu eigen gemacht haben und darin eine kompetente Begleitung durch aktive Bewältigungsstrategien finden, die ihnen Risiken der Strategien aufzeigt, sie aber auch darin unterstützt, neue Schritte zu wagen.