Der Lockdown betrifft das Alltagsleben der Bevölkerungen in einschneidender Weise. Soziale Praxis soll, zur Begrenzung von Ansteckungsgefahren, entkörpert werden. Digitale Vernetzung bekommt eine grundlegend veränderte, weil auf die gesamte Gesellschaft bezogene Bedeutung für die Aufrechterhaltung sozialer Beziehungen, denen die Option der Kopräsenz und multimodalen Charakteristik nun per politischem Entscheid und medizinischer Empfehlung temporär entzogen werden.

Sozialität befindet sich also unter Wandlungsdruck. Dieser Wandel wird von einer Reihe semantischer Widersprüchlichkeiten begleitet: so soll Solidarität sich darin ausdrücken, sich nicht zu begegnen. Wir stehen zusammen, indem wir uns vereinzeln - so der moralische Appell. Social distancing wird als polizeilich durchgesetzte Strategie eingesetzt. Diese hat freilich eine reichhaltige Geschichte und sie zeigt sie auch an: soziale Distanz meint Unterordnung unter Autorität. Die Vertreibung der Körper aus dem öffentlichen Raum dreht eine Entwicklung politischer Emanzipation um, die in den vergangenen 10-15 Jahren zu beobachten war: die Repolitisierung des öffentlichen Raums (arab.Frühling, occupy, leider auch: Pegida, Fridays for Future).