Raum: Mit Bezug zu der bisherigen Forschung zum noch anhaltenden „spatial turn“ führt die Gesellschaft im Lockdown zu einer Erweiterung und Neuperspektivierung der breit geteilten Annahme des sozial konstruierten Raumes. In den vergangenen Jahren konnte eine Rückeroberung des öffentlichen, zunehmend stark privatisierten Raumes zugunsten der Etablierung neuer politischer Räume (siehe oben, etwa zum arabischen Frühling, Fridays for Future etc.) beobachtet werden, die auch als Aneignung zu verstehen ist. Mit Hilfe zunächst lokal wahrnehmbarer, oftmals auf Gruppenebene organisierter Kommunikation werden Orte als spezifische Räume lesbar. Derzeit sind bekannte Verfahren der Betextung beobachtbar (Aushänge, semiotische Barrieren etc.), um Hilfe, Solidarität und soziale Konventionen (z.B. des physischen Abstands) neu zu organisieren. Zugleich findet dies unter Bedingungen nicht lokal teilbarer Räume statt, da geltende Kontaktbeschränkungen unterbinden, dass diese sozialen Räume gemeinsam generiert werden: Interessant wird, wie werden derzeit welche Räume lokal, mit Hilfe welche Kommunikationsformen generiert? Werden alte soziale Räume gerade neu lesbar?

Lässt sich unter Bedingungen einer Gesellschaft im Lockdown dennoch und paradoxerweise von einer Belebung des öffentlichen Raumes sprechen, obgleich physische Kopräsenz unterbunden werden muss?

In welcher Relation stehen digital und analog erzeugte „Räume“ der Sozialität? Müssen aufgrund zunehmender Konvergenzphänomene (Einbinden virtueller und digitaler Räume in das analoge Alltagsleben) noch genutzte Dichotomien (z.B. analog vs. digital) ersetzt, erweitert werden oder bestätigen sie ihre Relevanz?

Wie lässt sich dies analytisch erfassen und beschreiben?

Freiheit: Im Zuge der Bekämpfung von Corona wurden nicht nur Grundrechte durch Anwendung des Infektionsschutzgesetzes eingeschränkt oder sollen noch weiter eingeschränkt werden: Freiheiten wirtschaftlicher Entfaltung, Bewegungs- und Versammlungsfreiheiten usw. Zugleich wurde in kürzester Zeitspanne die Vorstellung einer quasi grenzenlos mobilen, globalen Welt eingerissen: Stattdessen finden Grenzschließungen statt, werden Staatsbürger_innen zurückgeholt, dürfen Nicht-Staats-Angehörige nicht mehr einreisen usw. Diese Entwicklungen spielen sich bislang ohne nennenswerte Hinterfragung und im Namen von Vernunft und Bevölkerungsschutz ab (und dies, obwohl die nunmehr aufgerufenen Bilder der Zukunft von weniger Markt und mehr Staat der bis vor kurzem heftig bekämpften Idee der Renationalisierung - etwa der Grundversorgung - recht nahe kommen; s. auch Gesellschaftliche Differenzierung)

Wie wird das Spannungsfeld Freiheit -Sicherheit verhandelt? Kann sich die Vorstellung von vernünftigen vs. unvernünftigen Leuten, zwischen neuer Normalität und Abweichung, halten? Welche Dynamik der Aushandlung von Freiheit und Sicherheit ist zu beobachten?