Pflegende Angehörige besser pflegen

Soziale Arbeit für eine hochbelastete Bevölkerungsgruppe

Pflegende Angehörige besser pflegen - Soziale Arbeit für eine hochbelastete Bevölkerungsgruppe

Projektleitung: Prof. Dr. habil. Anne Lützenkirchen
Gefördert durch: Hochschule Fulda
Laufzeit: 2012 – 2013
Kooperationspartner: Annika Wittig M.A., Klinikum Fulda; Gabriele Moll M.A., Caritas Fulda
Publikation: Lützenkirchen, Anne/Wittig, Annika/Moll, Gabriele/Kunkel, Katharina 2014: Pflegende Angehörige besser pflegen – Soziale Arbeit für eine hochbelastete Bevölkerungsgruppe. Lage, Jacobs Verlag.

Projektbeschreibung:
Pflegende Angehörige erfüllen gesellschaftlich wichtige infrastrukturelle Funktionen, deren Bedeutung in Anbetracht des demografischen Wandels noch weiter wachsen wird. Die häusliche Pflege ist mit erheblichen Belastungen auf körperlicher, psychischer, sozialer und ökonomischer Ebene verbunden. Umso erstaunlicher ist es, dass die bestehenden Unterstützungsangebote von den pflegenden Angehörigen nur wenig in Anspruch genommen werden. Das legt den Schluss nahe, dass das vorhandene Hilfenetz nicht dem Bedarf der pflegenden Angehörigen entspricht. Diese Personen benötigen aber dringend verstärkte Förderung, um ihre Aufgaben auch in Zukunft weiter bewältigen zu können. Vor diesem Hintergrund ist die  Profession der Sozialen Arbeit aufgerufen, sich ihnen vermehrt zuzuwenden. An dieser Stelle setzt das Forschungsprojekt an.

Im September und Oktober 2012 wurden 14 leitfadengestützte Tiefeninterviews mit pflegenden Angehörigen im Landkreis Fulda geführt. Die Analyse der Daten legt einen Handlungsauftrag an die Soziale Arbeit nahe. Es konnte gezeigt werden, dass für das Hilfesystem und seine Weiterentwicklung große Chancen in einer verstärkten konzeptionellen und handlungspraktischen Einbindung der Sozialen Arbeit liegen. Auf der Basis der erhobenen empirischen Befunde wurde ein konkretes Handlungskonzept der Sozialen Arbeit auf Mikro-, Meso- und Makroebene entwickelt.

Auf Mikroebene, d. h. als individuelle Einzelfallhilfen, kann Soziale Arbeit pflegende Angehörige mit folgenden Angeboten unterstützen:

  1. Sozialleistungsberatung
  2. Hilfen bei der Antragstellung
  3. Information über und Kommunikation mit ambulanten Pflegediensten
  4. Individuelle Beratung
  5. Organisation und Vermittlung von Pflegeschulungen
  6. Information über und Vermittlung von Kurzzeitpflege und Verhinderungspflege
  7. Information über, Vermittlung und Durchführung von tagespflegerischen, stundenweisen Betreuungsangeboten
  8. Wohnberatung
  9. Psychosoziale Beratung
  10. Prävention, Gesundheitsförderung und Rehabilitation
  11. Hilfen beim Zeitmanagement und
  12. Beratung zur Verbesserung der Selbstsorge.

Auf institutioneller Mesoebene umfasst Soziale Arbeit für pflegende Angehörige folgende Bestandteile:

  1. Öffentlichkeitsarbeit
  2. Förderung innovativer Wohnformen
  3. Einbeziehung von Ehrenamtlichen
  4. Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit von Hilfe
  5. Verbesserung der Kooperation und Koordination
  6. Förderung der Nachbarschaftshilfe
  7. Förderung von sozialer Gruppenarbeit
  8. Ausbau aufsuchender Hilfen
  9. Ausbau von Hausnotrufsystemen
  10. Verbesserung der institutionellen Versorgungsstrukturen (insbesondere Tagespflege, Kurzzeit- und Verhinderungspflege)
  11. Fördermittelakquise und
  12. Evaluation.

Auf gesellschaftspolitischer und wissenschaftlicher Makroebene kann Soziale Arbeit das Hilfesystem für pflegende Angehörige mit folgenden Ansätzen verbessern:

  1. Öffentlichkeitsarbeit auf Bundesebene
  2. Verbesserung der Ausbildung in der Sozialen Altenarbeit
  3. Politisches Engagement und
  4. Wissenschaftliche Weiterentwicklung des Themenbereiches

Insgesamt wurde deutlich, dass pflegende Angehörige eine umfangreiche und bedeutsame volkswirtschaftliche Leistung erbringen. Sie erfahren für ihr körperlich, seelisch-geistig, sozial und ökonomisch hohes Engagement jedoch nicht genug Anerkennung. Eine angemessene Würdigung zeigt sich in einem optimal konzipierten und institutionalisierten Hilfesystem. Häusliche Pflege für eine rein innerfamiliär zu regelnde Selbstverständlichkeit zu halten, wird der gesamtgesellschaftlich so anspruchsvollen und wichtigen Aufgabe nicht gerecht. Aus den geführten Interviews und deren Analyse ergibt sich eindeutig, dass die Gruppe der pflegenden Angehörigen mit massiven Problemlagen konfrontiert ist. Aus den vorgenommenen Interviewauswertungen ist zu ersehen, dass die Soziale Arbeit wertvolle Beiträge auf Mikro-, Meso- und Makroebene leisten kann, um pflegende Angehörige besser zu unterstützen.