Ein Jahr im Online-Modus
21.04.2021Dass in der vergangenen Woche ein neues Semester an der Hochschule Fulda begonnen hat, dürfte außerhalb der Hochschule kaum jemand bemerkt haben. Zu einer Zeit, wo sich üblicherweise viele Studierende auf dem Campus einfinden, ist es auf dem Hochschulgelände erneut ruhig geblieben. Der Start ins neue Semester fand einmal mehr zu Hause am Rechner statt. „Obwohl wir das bereits zum dritten Mal erleben, ist es noch immer ein sehr befremdliches Gefühl“, sagt Hochschulpräsident Professor Dr. Karim Khakzar, der aus seinem Büro weit über den Campus blicken kann. „Wir hatten gehofft, wieder mehr Studierende an die Hochschule holen zu können“, doch die Pandemie hat einen Strich durch die Rechnung gemacht. Es bleibt vorerst beim Online-Studium.
104.000 Online-Meetings im vergangenen Jahr
Wie der Hochschulbetrieb im Online-Modus im vergangenen Jahr funktioniert hat, dazu hat die Hochschule Fulda nun Bilanz gezogen und die Ergebnisse im Rahmen eines Pressegesprächs präsentiert. Ruhig war und ist es demnach ganz und gar nicht. Knapp 3.200 Online-Meetings, zu denen mehr als 900 Personen eingeladen hatten, haben alleine in der vergangenen Woche zum Start ins Sommersemester 2021 stattgefunden. Insgesamt verzeichneten sie 31.000 Teilnehmer*innen. Fast 104.000 Online-Meetings waren es im vergangenen Jahr. 6,72 Millionen Meeting-Minuten kamen so zusammen.
Gros der Studierenden und Lehrenden zufrieden
„Da die Pandemie-Situation für uns alle neu war, haben wir unsere Maßnahmen wissenschaftlich begleitet“, erläutert Khakzar. In einer zum Ende des Wintersemesters durchgeführten Befragung, an der sich mehr als 1.800 Studierende und rund 290 Lehrende beteiligten, zeigte sich die deutliche Mehrheit der Studierenden (70 Prozent) und Lehrenden (85 Prozent) zufrieden mit dem Verlauf des Semesters. Angesichts der Tatsache, dass Corona den Alltag schlagartig extrem verändert habe, sei es sehr erfreulich, nun auf zwei insgesamt gut verlaufene Online-Semester zurückblicken zu können. „Es war immer unser Bestreben, dass den Studierenden keine Semester verlorengehen. Das ist uns gelungen.“
Keine Verzögerungen im Studienablauf
„Die Befürchtung, dass Studierende pandemiebedingt ihr Studium nicht ordnungsgemäß durchführen können, hat sich nicht bewahrheitet“, freut sich auch Professorin Dr. Kathrin Becker-Schwarze, Vizepräsidentin für Lehre und Studium und betont: „Auch für die Lehrenden, die von heute auf morgen ihre Lehrkonzepte umstellen mussten, war es eine enorme Kraftanstrengung.“ Durch ein schnell entwickeltes Unterstützungsangebot der entsprechenden Serviceabteilung sei es gelungen, die Herausforderung insgesamt gut zu meistern. Von Beginn des Lockdowns im März 2020 bis Ende Mai 2020 führte die Abteilung alleine 1.000 Beratungen zu technischen und didaktischen Fragestellungen durch. Im Laufe des Sommersemesters 2020 bot sie für rund 75 Prozent der Lehrenden eine persönliche Beratung an.
31.000 Prüfungen zum Ende des Wintersemsesters
Es ist im vergangenen Jahr auch gelungen, alle Prüfungen anzubieten. Zum Ende des Wintersemesters 2020/21 waren es insgesamt 31.000. Etwa ein Fünftel davon fand vor Ort statt nach einem mit dem Gesundheitsamt abgestimmten und mit dem hessischen Wissenschaftsministerium vorbesprochenen Konzept, das erfolgreich umgesetzt wurde: Die Präsenzprüfungen haben zu keinen Corona-Ausbrüchen innerhalb der Hochschule geführt.
Perspektive: Präsenz mit mehr Flexibilität
Das Online-Studium hat auch neue Perspektiven eröffnet. Danach gefragt, ob auch nach der Corona-Zeit Online-Angebote ergänzend zur Präsenzlehre eingesetzt werden sollen, gaben die meisten Studierenden (fast 61 Prozent) und Lehrenden (fast 75 Prozent) an, dass sie dies für sinnvoll halten. „Sicherlich wird auch in Zukunft insbesondere die reine Wissensvermittlung digital unterstützt werden, sodass wertvolle Präsenzzeiten vermehrt für Übungen und Diskurs mit den Studierenden genutzt werden können“, meint Professor Dr. Jörg Kreiker, der für die Lehrenden am Pressegespräch teilnahm. „Für die Zukunft erwarte ich, dass wir die Präsenzzeiten noch mehr schätzen und gleichzeitig die neue zeitliche und räumliche Flexibilität nutzen.“ So könnten die stets knappen Lehrräume effizienter genutzt werden. Früher schwer zu koordinierende Termine könnten ausschließlich online stattfinden.
Herausforderung Diversität
„Welche Online-Formate wir künftig etablieren werden, müssen wir jetzt diskutieren, und zwar unter Diversitätsgesichtspunkten“, betont Vizepräsidentin Becker-Schwarze. Denn die Befragung zeigte auch, dass einige Studierende Schwierigkeiten mit dem Online-Format hatten. „Wir müssen nun analysieren, warum das so war und dabei auch berücksichtigen, dass sich das Lernen verändert. Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sie muss immer in einen didaktischen Kontext eingebunden sein – das kann für die Leistungsstärkeren sein, aber auch, um die Leistungsschwächeren zu motivieren.“ Was auch online nie fehlen dürfe, sei die Kommunikation. Dicht an den Studierenden dran zu sein, sei Online ebenso möglich wie in Präsenz. Online ließe sich sogar ein viel intensiverer Kontakt zu Studierenden pflegen, allerdings setze das eine entsprechende Didaktik voraus. Für die Lehrenden sei das in jedem Fall ein sehr ambitioniertes Vorgehen.
Homeoffice positiv bewertet
Der größte Teil der Hochschul-Beschäftigten hat im vergangenen Jahr überwiegend im Homeoffice gearbeitet. Um mögliche Belastungen zu erfassen, aber auch Impulse für die künftige Organisation der Arbeit aufzunehmen, befragte die Hochschule Fulda die Beschäftigten im August und September 2020 nach ihrer Zufriedenheit, nach Erfolgsfaktoren und Herausforderungen im Homeoffice. 41 Prozent der Beschäftigten beteiligten sich und gaben ein insgesamt positives Feedback (85 Prozent). Als Erfolgsfaktoren für das Homeoffice werteten fast 83 Prozent die technische Ausstattung und etwa 73 Prozent eine klare Planung und Strukturierung des Arbeitstags. Als Herausforderung sahen gut 49 Prozent der Befragten die fehlende (physische) Nähe der Kolleg*innen sowie die unklare Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben (26,6 Prozent). „Von den Erfahrungen werden wir auch in Zukunft profitieren“, unterstreicht Hochschulpräsident Khakzar. „Sie liefern uns eine Perspektive, wie wir das Arbeiten an der Hochschule weiterentwickeln können. Derzeit führen wir dazu hochschulintern die notwendigen Gespräche.“
Wunsch nach persönlichen Kontakten
So positiv die Bewertung des vergangenen Jahres im Online-Modus auch ausfällt. Fest steht: Vielen Studierenden, Lehrenden und Beschäftigten fehlt der persönliche Kontakt. „Nicht umsonst haben wir uns für eine Präsenzhochschule entschieden“, betont Professor Kreiker. „Persönlich unterrichte ich stark im ersten Semester und kenne daher nahezu alle Studienanfänger*innen zumindest vom Sehen. Dieses Jahr kenne ich von fast niemandem ein Gesicht, sondern nur Namen.“ Bei Lehrenden wie Studierenden habe es im vergangenen Wintersemester vermehrt den Wunsch gegeben, auch online mehr Live-Formate anzubieten, nachdem im Sommersemester 2020 nahezu alle Materialien zum individuellen Abrufen in einer Mediathek bereitgestellt worden seien. „Weil die Live-Formate eben eine persönlichere Verbindung ermöglichen“, vermutet Professor Kreiker. Sicherlich würden sich künftig vermehrt reine Online-Studiengänge etablieren, jedoch erwartet er das „eher in Nischen.“
Gremien als Ort sozialen Austauschs
Die persönlichen Begegnungen im Studienalltag vermisst auch der AStA. “Das soziale Leben auf dem Campus, das die AStA-Arbeit ausmacht, fehlt“, erklärt Viktoria Stubbe, Vorsitzende des AStA der Hochschule Fulda. „Wir haben unseren Besucherverkehr im AStA-Büro eingestellt. Beratung und Anfragen können nur digital entgegengenommen und bearbeitet werden.“ Für die Zusammenarbeit der einzelnen Referate, des Vorstandes und der Mitarbeiter*innen habe man sich unter diesen Umständen erst einmal neu orientieren müssen. Problematisch sei, dass die Gremienarbeit ganz deutlich an Zuwachs verliere. „Dabei ist Gremienarbeit in Zeiten digitaler Lehre auch ein Weg, die sozialen Kontakte aufzubauen“, meint die AStA-Vorsitzende. Auch darüber hinaus will der AStA ein wenig Normalität bieten: Trotz eingeschränkter Möglichkeiten will er auch in diesem Jahr einen Beitrag zur ‚Kultur auf dem Campus‘ liefern, insbesondere mit den Hochschultagen, die vom 14. bis 16. Mai stattfinden sollen – wenn auch digitaler.
„Das vergangene Jahr hat trotz aller Herausforderungen eine Menge Impulse geliefert, um die Hochschule weiterzuentwickeln“, resümiert Hochschulpräsident Khakzar. „Wir haben aber gelichzeitig den persönlichen Kontakt neu schätzen gelernt und erfahren, dass die virtuelle Welt nicht alles ersetzen kann. Für uns steht daher fest: Trotz aller guten Ansätze zur Digitalisierung wird die Hochschule Fulda eine Präsenzhochschule bleiben. Wir werden alles dafür tun, dass das kommende Wintersemester wieder ein normales Präsenzsemester wird.“