Keine Angst vor dem weißen Blatt

14.08.2017
Schreibwerkstatt der Hochschule Fulda
Beim Schreiben von wissenschaftlichen Arbeiten kommen viele Fragen auf. Unterstützung bekommen Studierende dabei von der Schreibwerkstatt – mit Hilfe zur Selbsthilfe. Foto: Hochschule Fulda

Wissenschaftliche Texte zu schreiben, will gelernt sein. Die Schreibwerkstatt der Hochschule Fulda hilft Studierenden weiter – mit Beratung auf Augenhöhe.

Die Zeiten, in denen wissenschaftliche Arbeiten von Hand oder mit der Schreibmaschine zu Papier gebracht wurden, sind lange vorbei. Der technische Fortschritt macht vieles einfacher – den Text verfassen müssen die Studierenden aber nach wie vor selbst. „Wissenschaftliches Schreiben ist für alle eine Herausforderung“, sagt Amata Schneider-Ludorff. Sie leitet die Schreibwerkstatt an der Hochschule Fulda, die inzwischen seit neun Jahren besteht. Dort bekommen Studierende Unterstützung bei allen Schreibprojekten, die im Rahmen des Studiums anstehen. Pro Monat nutzen etwa 20 bis 30 Studierende das Angebot.

Wie oft während des Studiums wissenschaftliche Texte, wie zum Beispiel Hausarbeiten oder Laborberichte, verfasst werden, hängt auch von der Fachrichtung ab. In sozialwissenschaftlichen Fächern schreiben die Studierenden meist mehr als in technischen Fächern. Doch spätestens wenn es auf die Abschlussarbeit zugeht, haben alle ein Großprojekt vor sich. Neue Erkenntnisse Für Schneider-Ludorff gehört es zum guten Schreiben dazu, dass man sich Feedback einholt und den Text immer wieder verändert. „Beim Schreiben gewinnt man neue Erkenntnisse“, sagt sie. „Auch Profis schreiben komplexe Texte nie von oben nach unten durch, ohne sie zu überarbeiten."

Individuelle Termine
In der Schreibwerkstatt ist jeder Termin individuell, die Beratung läuft aber oft ähnlich ab. Am Anfang steht die Frage: „Woran möchtest du arbeiten?" Die Beratenden versuchen dann, herauszufinden, ob es weitere Schwierigkeiten gibt, die den Studierenden noch gar nicht bewusst sind. Anschließend wird das Thema für die aktuelle Sitzung festgelegt und bearbeitet. Am Schluss steht das Resümee: Sind alle Punkte geklärt? Falls nicht, wird das weitere Vorgehen besprochen. Die Fragen, mit denen die Studierenden kommen, sind breit gefächert: „Wie finde ich eine wissenschaftliche Fragestellung?", „Wie baue ich den Text am besten auf?" oder „Wie zitiere ich richtig?" gehören zu den häufigsten. Kurz gesagt: „Alles, was beim Schreiben Probleme bereitet", sagt Schneider-Ludorff.

Während ihres Studiums (Germanistik, Anglistik und Philosophie) hat sie für eine Lokalzeitung geschrieben und später an einer Universität in den USA wissenschaftliches Schreiben unterrichtet. Wenn es um englischsprachige Texte geht, übernimmt sie daher selbst die Beratung. In den meisten Fällen sitzen die Ratsuchenden aber Tutorinnen und Tutoren gegenüber, die ebenfalls studieren.

Ausbildung zum/zur Schreibtutor/in
Diese haben eine spezielle Ausbildung durchlaufen und dadurch selbst viel Schreiberfahrung. Auch wer in der Schule keine Eins in Deutsch hatte, kann hier anderen helfen – vielleicht sogar umso besser. „Leute, die selbst einmal Schwierigkeiten beim Schreiben hatten, beraten oft am besten", berichtet Schneider-Ludorff. Die Ausbildung bietet die Schreibexpertin jedes Jahr im Sommersemester an. Sie umfasst zwölf Sitzungen und zwei Blockseminare – doch der Aufwand lohnt sich, sagt Schneider-Ludorff. Die Tutorinnen und Tutoren lernen währenddessen viel über Beratung auf Augenhöhe, den Prozess des Schreibens und darüber, wie sie selbst gute Texte verfassen. Später sammeln sie praktische Erfahrung in der Beratung – und erwerben so Fertigkeiten, die im Berufsleben wertvoll sein können.

Jazmín Covelo Vázquez hat diese Ausbildung absolviert. Seit zwei Jahren arbeitet sie als studentische Beraterin in der Schreibwerkstatt. „Die besten Arbeiten entstehen aus einem inneren Antrieb heraus", sagt sie. In der Beratung hilft sie den Studierenden dabei, herauszufinden, wie sich diese Motivation wissenschaftlich nutzen lässt. Das Schreiben selbst vergleicht sie mit der Arbeit eines Bildhauers an einer Statue. Kaum ein Künstler fängt dafür oben an und schlägt sofort die Gesichtszüge in den Steinblock. Stattdessen werden die Strukturen durch viele Arbeitsgänge nach und nach feiner und detaillierter. Beim Schreiben sei es ähnlich. „Ein Satz muss nicht gleich am Anfang perfekt sein", sagt Covelo Vázquez. „Diese Erkenntnis kann viel Druck wegnehmen."

Hilfe zur Selbsthilfe
Die Schreibberatung ist als Hilfe zur Selbsthilfe zu verstehen. Einen Textentwurf zu korrigieren und mit Anmerkungen versehen zurückzugeben, gehört ausdrücklich nicht zum Angebot. „Wir sagen den Studierenden nicht, was sie schreiben sollen", betont Schneider-Ludorff. Sie setzt vielmehr darauf, dass die Studierenden durch die Beratung eigene Ideen dazu entwickeln, wie sie ihre Texte überarbeiten und besser machen. Das gelte auch für diejenigen, die kein konkretes Problem mit dem Schreiben haben. „Alle, die zu uns kommen, profitieren davon."

Diese Erfahrung hat auch Rebekka Döding gemacht. Anfang des Jahres hat sie ihre duale Ausbildung zur Physiotherapeutin abgeschlossen. Etwa vier Wochen bevor sie ihre Bachelor- Arbeit abgab, kam sie zum ersten Mal in die Schreibwerkstatt. „Ich fand es gut, dass eine Außenstehende, die sich mit wissenschaftlichem Arbeiten auskennt, meinen Text gelesen hat. Dadurch habe ich nützliche Anregungen bekommen", sagt die 22-Jährige. Mit der Bewertung ihrer Arbeit war sie am Ende sehr zufrieden: Für ihre Bachelor- Thesis bekam sie die Note „sehr gut".

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