„Mich reizt es, mitzugestalten“

19.01.2016

Prof. Dr. Steven Lambeck, Vizepräsident für Forschung und Entwicklung, zum neuen Promotionsrecht für forschungsstarke Fachrichtungen an der Hochschule Fulda

Das neue Promotionsrecht an Fachhochschulen, die künftig Hochschulen für angewandte Wissenschaften genannt werden, ist in Hessen jetzt beschlossene Sache: Wie wird dies an der Hochschule Fulda konkret aussehen? Ein Gespräch mit Prof. Dr. Steven Lambeck, dem Vizepräsidenten für Forschung und Entwicklung an der Hochschule Fulda.

Herr Prof. Lambeck. Sie sind seit kurzem Vizepräsident an der Hochschule Fulda für den Bereich Forschung und Entwicklung. Wo möchten Sie hier Akzente setzen?

Lambeck: Was uns gerade sehr beschäftigt ist das Promotionsrecht für Hochschulen. Das Land Hessen hat Anfang Dezember eine Gesetzesnovelle dazu verabschiedet. Bislang war es an Hochschulen nur in Kooperation mit Universitäten möglich, zu promovieren. Jetzt erhalten forschungsstarke Fachrichtungen das Promotionsrecht. Der Dreh- und Angelpunkt ist für uns gerade zu klären, wie wir für forschungsstarke Bereiche an unserer Hochschule gute Rahmenbedingungen schaffen.

Warum ist es so wichtig, dass auch an den Hochschulen promoviert werden kann?

Lambeck: Wer die gleiche Arbeit leistet, sollte auch die gleichen Rechte haben, das ist eine Frage des Prinzips. An der Hochschule Fulda haben wir momentan rund 80 laufende Promotionsverfahren in Kooperation mit verschiedenen Universitäten. Nach außen erscheint aber auf dem Promotionszeugnis nur die Universität, obwohl wir einen großen Teil der Arbeit leisten. Ich meine, dass wir hier auch genannt werden müssen. Außerdem erhöht die Möglichkeit, nicht nur in Fulda zu studieren, sondern auch zu forschen, die Attraktivität der Hochschule und der Region.

Wie können die Studierenden an der Hochschule Fulda profitieren, wenn ihre Professorinnen und Professoren verstärkt forschen?

Lambeck: Sie haben den Vorteil, dass sie in innovative Forschungsprojekte relativ früh eingebunden werden können. Forschung und Lehre können in den Lehrveranstaltungen sehr gut als Einheit dargestellt werden. Wenn wir in unseren Vorlesungen und Seminaren eigene Forschungsergebnisse einfließen lassen, dann profitieren die Studierenden von diesen Erkenntnissen. Darüber hinaus kann man sie motivieren, aktiv in den Forschungsprojekten mitzuarbeiten, als studentische Hilfekräfte oder im Zuge einer Bachelor- oder Masterarbeit.

Welche Kriterien muss ein Fach erfüllen, damit es als forschungsstark gilt?

Lambeck: Mindestens zwölf Kolleginnen und Kollegen müssen in dieser Fachrichtung tätig sein und es muss ein bestimmtes Drittmittelvolumen für einzelne Forschungsprojekte geben, also Gelder, die von dritter Seite fließen - etwa der Deutschen Forschungsgemeinschaft, dem Bundesministerium für Bildung und Forschung oder aus der Wirtschaft. Zudem gilt es nachzuweisen, dass die Forschungsergebnisse publiziert worden sind.

Welche Bereiche an der Hochschule Fulda erfüllen die Kriterien „forschungsstark“?

Lambeck: Da ist zum Beispiel die Fachrichtung „Public Health“/ Pflege- und Gesundheitswissenschaften zu nennen. Mit diesem Fach haben wir ein Alleinstellungsmerkmal, weil es kaum in Deutschland angeboten wird. Die Studierenden kommen aus dem gesamten Bundesgebiet zu uns nach Fulda. Intern haben unsere Professorinnen und Professoren Ideen für drei Bereiche entwickelt, für die das eigene Promotionsrecht in Frage käme: neben „Public Health“ wären das die Bereiche „Soziale Arbeit“ sowie „Interkulturalität / Soziale Nachhaltigkeit“. Der Bereich der Sozialen Arbeit wird zum Beispiel gar nicht an den Universitäten gelehrt, aber die Nachfrage nach promovierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf diesem Gebiet ist sehr wohl vorhanden. Wir planen mit diesem Bereich ein hochschulübergreifendes Promotionszentrum mit der Frankfurt University of Applied Sciences und der Hochschule RheinMain. Wo die Kriterien nicht erfüllt werden können, setzen wir natürlich auch weiterhin auf Kooperationen mit den hessischen Universitäten wie auch mit Universitäten anderer Bundesländer, mit denen sich über Jahre eine erfolgreiche Zusammenarbeit entwickelt hat.

Was unterscheidet denn künftig noch die Hochschulen von den Universitäten?

Lambeck: Hochschulen für angewandte Wissenschaften werden sich sicher auch weiterhin auf die anwendungsorientierte Forschung mit einem hohen Praxisbezug konzentrieren, also keine Grundlagenforschung betreiben. Wir werden künftig an der Hochschule Fulda daran arbeiten, dass für diejenigen, die forschen möchten, gute Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Was kommt auf die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu, wenn ein forschungsstarker Bereich das Promotionsrecht bekommt und sie damit verstärkt forschen können?

Lambeck: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden mehr dazu übergehen, Drittmittel einzuwerben, das heißt Förderanträge für ihre Forschungsprojekte an potenzielle Geldgeber zu schreiben. Von diesen Geldern werden die forschenden Doktorandinnen und Doktoranden finanziert werden. An der Hochschule Fulda machen wir interessierte Kolleginnen und Kollegen gezielt auf öffentliche Ausschreibungen aufmerksam und ermutigen sie, daran teilzunehmen. Wenn man forschen will und eine gute Idee hat, findet man in aller Regel auch einen passenden Fördertopf.

Gibt es denn jetzt schon genügend Förderprogramme für Drittmittel für Hochschulen für angewandte Wissenschaften?

Lambeck: Es gibt einige Programme von den Ländern, dem Bund und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Ich bin mir aber sicher, dass zukünftig noch mehr Programme eigens für die Hochschulen für angewandte Wissenschaften aufgelegt werden. Mich reizt es hier, aktiv mitzugestalten. Wenn es uns etwa gelingt, die Forschung der Hochschulen stärker ins Bewusstsein beim Bundesministerium für Bildung und Forschung zu rücken, dann, denke ich, profitieren alle Fachbereiche.

Wie kann die Hochschule Fulda ihre Professorinnen und Professoren konkret bei den Förderanträgen unterstützen?

Lambeck: Da ich selbst zwei Forschungsprojekte an der Hochschule Fulda leite, weiß ich aus eigener Erfahrung, wie umfangreich das Schreiben solcher Förderanträge sein kann. Wir planen hier, unsere Beratungsstruktur auszubauen, um den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die Scheu vor der Erstellung solcher Anträge zu nehmen. Wir werden sie bei den Formalien und der Bürokratie so gut wie möglich unterstützen. Der kreative Part in einem solchen Förderantrag liegt nach wie vor bei den Forscherinnen und Forschern. Sie müssen ihre Forschungsidee darstellen. Aber wir können bei den oft unliebsamen Details effizient unterstützen.

Wovor scheuen sich denn manche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler?

Lambeck: Wenn ich mit den Kolleginnen und Kollegen spreche, befürchten einige einen immensen Mehraufwand. Ganz klar ist dies mehr Arbeit, im Forschungsbereich aktiv zu sein. Aber ich denke, dieser Mehraufwand lohnt sich – wir sind sowohl in der Lage, unseren wissenschaftlichen Nachwuchs entsprechend zu qualifizieren als auch unsere Forschungsergebnisse in die Lehrveranstaltungen einfließen zu lassen und damit auch die Qualität unserer Lehre signifikant zu erhöhen.

Woher bekommen Professorinnen und Professoren an Hochschulen den Freiraum zum Forschen und zur Betreuung von Doktorandinnen und Doktoranden, zumal Sie mehr Zeit in die Lehre stecken als ihre Kollegen von den Universitäten?

Lambeck: Zunächst wird es so sein, dass wir den Freiraum zum Forschen über eine Reduktion des Lehrdeputats ermöglichen. Auf lange Sicht werden wir an den Hochschulen neue Strukturen brauchen, die das Forschen erleichtern. Ich rede hier von einem grundfinanzierten akademischen Mittelbau mit einem festen Stamm an wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, wie ihn die Universitäten auch haben.

Warum braucht es künftig einen solchen Mittelbau auch an Hochschulen?

Lambeck: Momentan sind Professorinnen und Professoren an den Hochschulen häufig Einzelkämpfer in ihren Fächern – ohne festes Personal, das sie beim Lehren und Forschen unterstützt. Ohne Hilfe durch festes Personal bleibt ihnen aber wenig Zeit, die Förderanträge zu schreiben. Die überwiegende Zahl der wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist momentan über Drittmittel finanziert. Dies hat aber den Nachteil, dass die Gelder nur zeitlich befristet für die jeweiligen Forschungsprojekte fließen. Das schafft keine personelle Kontinuität und die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind ständig dabei, Folgeanträge zu schreiben – das ist ein sehr mühseliges Geschäft. Außerdem sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nur zwei, drei Jahre zeitlich befristet finanziert werden, nach der Projektphase wieder weg. Es wird die große Herausforderung der nächsten Jahre an den Hochschulen sein, eine solche Mittelbau-Struktur zu etablieren, die eine gewisse Kontinuität in der Forschung gewährleistet – und die Gelder von den Ländern und dem Bund dafür zu bekommen.

Trend zu Drittmitteln: Hochschulen werden hier in den nächsten Jahren zulegen
Hessen hat als erstes Bundesland dem eigenständigen Promotionsrecht für seine Hochschulen zugestimmt. Dies bedeutete, dass sie verstärkt forschen werden und auch Gelder für die Forschung einwerben werden – die so genannten Drittmittel.
Drittmittel werden in den nächsten Jahren immer wichtiger für die Hochschulen werden. Dies sind Gelder von „dritter Seite“, die zusätzlich zum regulären Etat von den Professorinnen und Professoren an Hochschulen und Universitäten eingeworben werden. Die Gelder dienen der Forschung und für die Einstellung von wissenschaftlichem Personal, zum Beispiel Doktorandinnen und Doktoranden. Die Hochschulen bewerben sich mit Förderanträgen bei so genannten Drittmittelgebern, um für konkrete Forschungsprojekte für einen gewissen Zeitraum Gelder zu bekommen. Drittmittelgeber können der Bund, die Länder, die EU, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, die Wirtschaft oder Stiftungen sein.
Bislang bekamen die Universitäten den Löwenanteil an Drittmittel: 2013 standen ihnen laut Statistischem Bundesamt 6,6 Milliarden Euro zur Verfügung, während die Fachhochschulen im gleichen Zeitraum 506 Millionen Euro einwarben. Im Schnitt warb jede Professorin oder jeder Professor an Universitäten Drittmittel in Höhe von 255400 Euro ein. An den Fachhochschulen betrug die Summe pro Professorin/Professor 30 300 Euro. Dies war aber immerhin schon eine Steigerung um knapp 12 Prozent gegenüber dem Vorjahr  2012. Dieser Trend wird sich mit dem neuen Promotionsrecht an den Hochschulen stärker fortsetzen.
Davon auszugehen ist, dass auch die Konkurrenz um Drittmittel zwischen Universitäten und Hochschulen zunehmen wird. Schon im Jahr 2011 war bereits 26% des wissenschaftlichen Personals an den Universitäten laut Statistischem Bundesamt durch Drittmittel finanziert.
2013 wurden von den Ingenieurwissenschaften die meisten Drittmittel eingeworben, gefolgt von Humanmedizin und Gesundheitswissenschaften.

Zur Person

Prof. Dr. Steven Lambeck (44) ist seit fünf Jahren Professor für Mess- und Regelungstechnik an der Hochschule Fulda. Seit Oktober 2015 hat er das Amt des Vizepräsidenten für Forschung und Entwicklung an der Hochschule Fulda inne.

Prof. Lambeck forscht an technischen Innovationen in einer Nische, die der Nachwelt zu Gute kommt. Mit seiner Arbeitsgruppe arbeitet er an intelligenten Techniken, die die Temperatur und Feuchte in historischen und alten Gebäuden regeln.

Im Schloss Fasanerie und in der Weimarer Fürstengruft leitet er Projekte des „präventiven Klimamanagements“: Er sorgt dafür, dass die empfindliche Bausubstanz sowie das Holzinventar aus früheren Jahrhunderten und historisch wertvolle Exponate wie Bücher möglichst geringen Temperaturschwankungen ausgesetzt werden.

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