Nora-Platiel-Preis 2022 - JETZT BEWERBEN!!!

25.03.2022

Zum 2. Mal schreibt der Verein zur Förderung von Forschung und Wissenstransfer in Sozialrecht und Sozialpolitik e.V. gemeinsam mit dem FoSS den Nora-Platiel-Preis aus.

Bewerbungsende: 31.05.2022!

Ausschreibung Nora-Platiel-Preis 2022


Einsendeschluss: 31.05.2022 || Einsendungen per E-Mail an: adelheid.lauer@sk.hs-fulda.de


Zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses schreibt der Verein zur Förderung von Forschung und Wissenstransfer in Sozialrecht und Sozialpolitik e.V. den NORA-PLATIEL-PREIS für herausragende Masterarbeiten (sowie Staatsexamensarbeiten) aus den Bereichen des Sozialrechts und der Sozialpolitik aus.
Die engagierte Juristin und Sozialdemokratin Nora Platiel (1896–1979) war nach dem Exil in Paris und Zürich 1949 nach Deutschland zurückgekehrt und hatte sich in Kassel niedergelassen. Sie war dort am Landgericht und am Oberlandesgericht tätig und wurde Kassels erste Landgerichtsdirektorin. Von 1954 bis 1966 war sie für die SPD im Landtag, für mehrere Jahre als stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion. Sie erwarb sich dort den Ruf der „besten Rednerin des Parlaments“.

Der nach Nora Platiel benannte Preis soll herausragende Masterarbeiten (sowie Staatsexamensarbei-ten der Lehramtsstudiengänge) aus den Bereichen Sozialrecht und Sozialpolitik würdigen, die an der Universität Kassel, der Hochschule Fulda oder der Hochschule der Gesetzlichen Unfallversicherung in Bad Hersfeld geschrieben worden sind und die in besonderem Maße sowohl wissenschaftliche Quali-tät wie gesellschaftliche Relevanz aufweisen und beides verbinden.

Das Preisgeld beträgt 2.000 Euro. Der Preis ist teilbar.

Es können thematisch einschlägige Abschlussarbeiten vorgeschlagen werden, die in Studiengängen der Universität Kassel, der Hochschule Fulda oder der Hochschule der Gesetzlichen Unfallversicherung in Bad Hersfeld angefertigt und die seit dem Sommersemester 2021 mindestens mit der Note 2,0 bewertet worden sind.
Vorschlagsberechtigt sind alle Professorinnen und Professoren sowie wissenschaftlich Bediensteten der Universität Kassel, der Hochschule Fulda und der Hochschule der Gesetzlichen Unfallversicherung in Bad Hersfeld, die im Bereich Sozialpolitik und Sozialrecht Abschlussarbeiten betreuen sowie alle Mitglieder des Vereins zur Förderung von Forschung und Wissenstransfer in Sozialrecht und Sozialpolitik e.V.


Einzusenden sind zunächst bis zum 31.05.2022:
(a) eine dreiseitige Zusammenfassung der Abschlussarbeit,
(b) die Gutachten sowie
(c) ein Lebenslauf (auf Deutsch oder Englisch).

Alle Unterlagen sollen bitte in einem einzigen PDF-Dokument zusammengefügt sein.

Gegebenenfalls fordern wir im zweiten Schritt die komplette Abschlussarbeit an. Über die Vergabe des Preises entscheidet eine Jury, deren Mitglieder je zur Hälfte vom Verein zur Förderung von Forschung und Wissenstransfer und Sozialpolitik e.V. und vom Forschungsverbund für Sozialrecht und Sozialpolitik (FoSS) der Hochschule Fulda und der Universität Kassel benannt werden.

Die Preisverleihung soll im Rahmen der FoSS-Sommerschule stattfinden, die für Ende September 2022 geplant ist.

Kontakt:
Prof. Dr. Anne Walter, Hochschule Fulda, Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften, zu Hd. Adelheit Lauer, Leipziger Straße 123, 36037 Fulda.
 

Nora Platiel als Namensgeberin des Preises

Mit Nora Platiel als Namensgeberin für den Preis des Fördervereins wird auf eine Person Bezug genommen, die mit ihrer Lebensleistung als Vorbild für Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler dienen kann und die mit ihrem sozialpolitischen und juristischen Engagement in Kassel bzw. in Hessen zahlreiche Anknüpfungspunkte zum Verein zur Förderung von Forschung und Wissenstransfer in Sozialrecht und Sozialpolitik e.V. und zum Forschungsverbund für Sozialrecht und Sozialpolitik (FoSS) bietet.
Mit dieser Namensgebung soll dem Wirken einer jüdischen Juristin und engagierten Sozialpolitikerin Sichtbarkeit verleihen werden.

Im Einzelnen haben folgende Momente den Förderverein bewogen, den Preis nach Nora Platiel zu benennen:
1. der lokale und regionale Bezug ihres Wirkens,
2. die Geläufigkeit ihres Namens in Kassel,
3. vielfältige inhaltliche Bezüge zu den Arbeitsschwerpunkten des Vereins und FoSS,
4. ihr Verständnis von Disziplinengrenzen überwindender sozialpolitischer und rechtsprakti-scher Arbeit und unser Verständnis von engagierter Interdisziplinarität,
5. mit der Namensgebung wird Stellung bezogen gegen erstarkende antisemitische und anti-feministische Positionen.

Einige Hinweise zu Leben und Wirken von Nora Platiel

(Grundlage: Texte der Wanderausstellung „Jüdische Juristinnen und Juristinnen jüdischer Herkunft“, Deutscher Juristinnenbund e.V. [Hg.], 2019, S. 109-112)

FAMILIE

Nora-Platiel wurde als achtes von zehn Kindern am 14.1.1896 in Bochum geboren. Die Eltern Therese und Bendix Block, liberale Juden, betrieben in der Bochumer Innenstadt ein Konfektionsgeschäft. Der Tod des Vaters 1915 stürzte die Familie in gravierende finanzielle Schwierigkeiten. Während der Zeit der Emigration in Paris lernte sie Gerhard Kumleben, Mitglied des Internationalen Sozialistischen Kampfbunds (ISK), kennen. Die Beziehung zerbrach noch bevor der gemeinsame Sohn Roger 1934 zur Welt kam. 1943 heiratete sie in Montauban Hermann Platiel.

SCHULE, STUDIUM, REFERENDARIAT

Nach dem Tod des Vaters half sie ihrer Mutter im Ge-schäft, das 1917 jedoch Bankrott ging. Im Anschluss an ihre freiwillige Arbeit beim internationalen Hilfskriegsdienst während des Ersten Weltkriegs und Tätigkeiten für Helene Stöcker und Elisabeth Rotten, absolvierte sie 1922 das Abitur in Berlin und studierte Jura. Ihr Ziel war es, Rechtsanwältin zu werden, um sich »für die Durchsetzung des Rechts in der Gesellschaft einzusetzen«. Frauenrechte, Sozialismus und Frieden gehörten zu ihren politischen Zielen. Nach dem ersten Staatsexamen 1927 und Referendariat am Landgericht Bochum bestand sie 1931 ihr zweites Staatsexamen. 1931 eröffnete sie als erste Anwältin ihre Kanzlei in Bochum. Sie war u.a. Strafverteidigerin in politischen Prozessen und arbeitete für die Rote Hilfe Deutschlands (RHD).

AUSGRENZUNG UND VERFOLGUNG, EXIL IN PARIS UND ZÜRICH

Seit ihrer Schulzeit war No-ra-Platiel immer wieder antisemitischen Erfahrungen ausgesetzt. Als Jüdin, Sozialistin und einzige Frau unter den in Bochum zugelassenen Rechtsanwälten zog sie direkt die Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten, insbesondere von Roland Freisler, auf sich. Die SS versuchte wiederholt, sie zu verhaften. Sie floh Anfang März 1933 nach Paris.
Sie fand eine Stelle als Redaktionssekretärin bei der Exilzeitschrift das »Neue Tagebuch« und schrieb u.a. für »Cahier Juifs«. Weiterhin arbeitete sie für den ISK und an einem Weißbuch über Hitler-Deutschland. Von 1934 bis 1939 war sie bei der Firma Omnium Métallurgique tätig. Nach ihrer Internierung 1940 in Gurs und Flucht nach Montauban übernahm sie dort die Leitung eines Büros des CAR (Comité d’Assistance aux Réfugiés), welches vom Schweizer Arbeiterhilfswerk (SAH) unterstützt wurde. Später floh sie weiter in die Schweiz, wo sie wei-terhin beim SAH beschäftigt war. Da in der Schweiz Flüchtlinge unerwünscht waren, entschloss sie sich 1949 zur Rückkehr nach Deutschland.

RÜCKKEHR NACH DEUTSCHLAND

Der hessische Justizdienst stellte sie 1949 als Richterin ein und wies sie einer Wiedergutmachungskammer am Landgericht Kassel zu. 1951 wurde sie nach kurzer Tätigkeit am OLG Frankfurt Hessens erste Landgerichtsdirektorin. Zeitgleich be-gann Nora Platiel sich für die Gefangenen-Fürsorge in Kassel zu engagieren.
In ihrem eigenen Wiedergutmachungsverfahren erhielt sie 1956, sieben Jahr nach der An-spruchsanmeldung, eine Entschädigung, die gerade einmal 20 Prozent dessen ausmachte, was sie mutmaßlich während der 16 Jahre Emigration – abzüglich ihres realen Einkommens in dieser Zeit – verdient hätte.
Ab 1954 wurde sie in drei aufeinanderfolgenden Legislaturperioden in den hessischen Landtag gewählt, sechs Jahre war sie stellvertretende Fraktionsvorsitzende der SPD. In dieser Funktion kämpfte sie u.a. gegen die drohenden Notstandsgesetze und setzte sich für eine Annäherung mit Israel ein. Daneben war sie u.a. Mitglied des Hessischen Staatsgerichtshofs und des Richterwahlausschusses. 1962 unterlag sie mit einer Stimme Abstand bei der Wahl für das Amt des Landtagspräsidenten. 1966 verließ sie den Landtag; sie war nach allgemeiner Ansicht die »beste Rednerin des Parlaments« und das »Gewissen des Landtags« gewesen.

GESELLSCHAFTS- UND BERUFSPOLITISCHE AKTIVITÄTEN

Nora Platiel war 1918 in die »Deut-sche Liga für Völkerrecht« eingetreten, 1922 in die SPD. Sie arbeitete im Internationalen Ju-gendbund (IJB). Sie engagierte sich im französischen Exil und auch später in jüdischen Hilfsorganisationen. Nach Auflösung des ISK trat sie der SPD wieder bei und übernahm mit der Zeit eine führende Rolle in der Kasseler SPD. Als Juristin nahm sie aktiv an den damaligen Diskussionen über die Benachteiligung von Frauen im Familien- und Arbeitsrecht teil. Immer wieder wies sie als Politikerin, Juristin und Betroffene vergeblich auf die ungenügende Ent-nazifizierung der deutschen Justiz und Politik hin.

Nora Platiel verstarb am 6.9.1979 in Kassel.

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