ThermoCalc – mobile Thermometerberechnungen

20.09.2017

Android-App zur Nutzung von numerischen Verfahren in der Temperaturmesstechnik

Das präzise Messen von Temperaturen ist essentieller Bestandteil zahlreicher Prozesse. Die präzise Temperaturmesstechnik findet Anwendung in der Energietechnik, der Lebensmitteltechnologie oder der allgemeinen Prozesstechnik. Konkrete Beispiel sind die Kostenabrechnung im Segment der regenerativen Energien, wie der Solarthermie, die Pasteurisation von Milch oder die Temperaturregelung beim Extrudieren von Thermoplasten in 3D-Druckern. Die genaue Bestimmung von Temperaturen erfordert die Umrechnung von elektrischen Eigenschaften – Spannung U, Strom I oder Widerstand R – der Sensorelemente in die zugehörige Temperatur unter Verwendung von Kennlinien.

Kennlinien zur Umrechnung gemessener elektrischer Widerstände R bzw. elektrischer Spannungen U in Temperaturen T werden in der Regel mithilfe von Kennlinienpolynomen der Form R(T) = ΣaiTi bzw. U(T) = ΣaiTi angegeben. Eine Berechnung der Temperatur aus einer solchen Kennlinie erfordert für einfache Polynome ein Umstellen der Gleichung nach der Temperatur T. Für komplexere Polynome gibt es, z. B. im Fall von Thermoelementen, inverse Kennlinienpolynome [1]. Diese sind jedoch mit einer Abweichung zu den Ursprungspolynomen behaftet und haben zum Teil einen kleineren Gültigkeitsbereich als diese.

Eine Alternative zur analytischen Berechnung anhand von inversen Kennlinienpolynomen bietet das Newton-Verfahren, welches die numerische Berechnung der Temperatur aus den Ursprungspolynomen ermöglicht. Dieses Verfahrens kann für verschiedene Standard-Thermoelemente angewendet werden. Es erfordert die Nutzung von verfügbaren, Thermoelement-spezifischen numerischen Startwerten. Damit lassen sich die Temperaturen über den gesamten Gültigkeitsbereich fehlerfrei bestimmen.

Liegen keine exakten Daten zur Beschreibung der Kennlinie vor, so kann das Gauß-Newton-Verfahren genutzt werden, um – unter Verwendung von Messdaten – ein eigenes Kennlinienpolynom zu bestimmen. Diese ermittelte analytische Kennlinie stellt dann eine mathematische Näherung der Messungen dar, so dass Temperaturen auch zwischen den Messpunkten mit guter Genauigkeit interpoliert werden können.

Eine weitere Möglichkeit zur Bestimmung von Kennlinien bieten genetische Ansätze, wie das Differential-Evolution-Verfahren, die weniger Vorwissen benötigen, dafür aber einen höheren Zeitbedarf haben. Diese Verfahren eignen sich zudem um eine Darstellung von Thermometer-Sprungantworten [2], wie sie zur Analyse des dynamischen Verhaltens von Thermometern eingesetzt werden, in Form eines RC-Modells 2. Ordnung zu ermitteln [3].

Um die gewonnen Erkenntnisse nutzen zu können, ist die Android-App ThermoCalc entstanden, die die gezeigten Verfahren umsetzt und weitere nützliche Berechnungen für die Temperaturmesstechnik bereitstellt. Die App unterstützt dabei die gängigen in der Industrie eingesetzten Thermometertypen. Sie ist kostenlos im Google Play Store erhältlich [4].

M.Eng. Andreas Brethauer, Prof. Dr.-Ing. Elmar Engels

Bildquellen: A. Brethauer

[1] DIN EN 60584: Thermoelemente. 2014.

[2] A. Brethauer: Entwurf und Realisierung einer Software zur Analyse des dynamischen Verhaltens von Berührungsthermometern in Fluiden. Masterarbeit, Hochschule Fulda, 2015.

[3] F. Bernhard (Hrsg.): Handbuch der Technischen Temperaturmessung. Springer Vieweg, 2014.

[4] Google Play Store: https://play.google.com/store/apps/details?id=com.brethauer.masteroftemperature

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