Vortrag an der Humboldt-Universität zu Berlin

10.12.2019

Fotos:VID/Alexander Zehrer

Prof. Skauradszun sprach auf dem deutsch-französischen Sanierungsgipfel

Prof. Dr. Dominik Skauradszun, LL.M. sprach am 6. Dezember 2019 an der Humboldt-Universität zu Berlin auf dem vierten deutsch-französischen Sanierungsgipfel.

Schwerpunkt des Vortrags

Der europäische Gesetzgeber hat im Juni 2019 die Richtlinie (EU) 2019/1023 über präventive Restrukturierungsrahmen verabschiedet. Die Richtlinie muss in den Mitgliedstaaten binnen zwei Jahren umgesetzt werden. Sie betrifft eine Vielzahl von Rechtsgebieten wie das Vertrags-, Arbeits-, Gesellschafts-, Kreditsicherungs-, Vollstreckungs-, Insolvenz- und Prozessrecht, ferner Schnittstellen zu EU-Verordnungen wie der CRR, Brüssel Ia und der EuInsVO.

Zur Richtlinie sind innerhalb kurzer Zeit zahlreiche wissenschaftliche Publikationen und Stellungnahmen der Verbände erschienen. Prof. Skauradszun zeigte eingangs, dass die Richtlinie nicht nur von akademischer Seite aus, sondern genauso intensiv von Autorinnen und Autoren aus der Praxis untersucht wurde. Nur Vertreterinnen und Vertreter der Justiz hielten sich sehr zurück, obwohl die Richtlinie den Richterinnen und Richter im Alltag komplexe Prüfungen abverlangen wird, für die die Justiz vielerorts kaum vorbereitet ist.

Innerhalb der Wissenschaft sind die Empfehlungen zur Umsetzung der rund 70 Öffnungsklauseln der Richtlinie maßgeblich durch Zivilverfahrensrechtler geprägt, obwohl zahlreiche offene Rechtsfragen auch andere große Rechtsgebiete wie das Kreditsicherungs- und Gesellschaftsrecht betreffen. Die Anzahl an Publikationen von Professorinnen und Professoren aus dem Unternehmensrecht ist jedoch gering.

Da das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz derzeit an einem Referentenentwurf arbeitet, zeigte Prof. Skauradszun sodann, bei welchen Streitfragen in Wissenschaft und Praxis schon eine herrschende Meinung entstanden ist, an der sich das Ministerium orientieren könne. Dies sei etwa bei der Aussetzung („Moratorium“) nach Art. 6 und 7 der Richtlinie der Fall, die nach herrschender Meinung weder automatisch noch kollektiv wirken und zeitlich nicht mehr als maximal vier Monate andauern dürfe. Ferner habe sich als herrschende Meinung herausgebildet, dass der Restrukturierungsplan gesellschaftsrechtliche Maßnahmen auch gegen den Willen der Anteilsinhaber vorsehen könne.

Wissenschaft und Praxis seien sich jedoch noch uneinig, ob der Restrukturierungsrahmen dogmatisch im Kern vertraglicher oder verfahrensrechtlicher Natur sei, welche Zugangsvoraussetzung dieser aufweisen müsse, wo er gesetzestechnisch verortet werden müsse und welche Mehrheitserfordernisse bei der Annahme des Restrukturierungsplans erreicht werden sollten, um die Eingriffe zu rechtfertigen.

Besonders kontrovers werde derzeit im Schrifttum diskutiert, ob bei einem klassenübergreifenden Cram-down (cross-class cram-down) – also bei der Technik, eine gesamte Abstimmungsklasse und nicht nur einen einzelnen nicht-zustimmenden Gläubiger oder Anteilsinhaber niederzuringen – die relative Vorrangregel (relative priority rule, Art. 11 Abs. 1 Buchst. c RL) oder die absolute Vorrangregel (absolute priority rule, Art. 11 Abs. 2 RL) zu ausgewogenen Ergebnissen führe.


Fuldaer Forschungsergebnisse zur Restrukturierungsrichtlinie

2018 und 2019 haben sich Prof. Skauradszun und sein Doktorand Walter Nijnens, LL.M. (Nijmegen), LL.M. (Nottingham) mit einigen Schriften an der wissenschaftlichen Diskussion zur Restrukturierungsrichtlinie beteiligt und insbesondere Schnittstellen zum internationalen Zivilverfahrensrecht und zum Gesellschaftsrecht bearbeitet:

Skauradszun/Nijnens

"Brussels Ia or EIR Recast? The Allocation of Preventive Restructuring Frameworks"
in: International Corporate Rescue (ICR) 2019, S. 193-201

Skauradszun/Nijnens

"The Toolbox for Cross-Border Restructurings Post-Brexit – Why, What & Where"
in: Nottingham Business and Insolvency Law e-Journal (NIBLeJ) 2019, 39 Seiten

Skauradszun/Nijnens

"Directive on Preventive Restructuring Frameworks: New Toolbox, New Questions"
in: eurofenix 2019/Autumn, S. 19-21

Skauradszun

"Die Restrukturierungsrichtlinie und das „verschwitzte“ internationale Zivilverfahrensrecht"
in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (ZIP) 2019, S. 1501-1507

Skauradszun

"Ein Umsetzungskonzept für den präventiven Restrukturierungsrahmen"
in: Zeitschrift für Insolvenzrecht – Konkurs Treuhand Sanierung (KTS) 2019, S. 161-192

Skauradszun

"Anteilsinhaberrechte im präventiven Restrukturierungsrahmen" 
in: Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht (NZG) 2019, S. 761-765

Skauradszun

Kommentierung von Art. 32 EuInsVO
in: Kübler/Prütting/Bork, Kommentar zur Insolvenzordnung, RWS, Köln, 80. Lieferung 6/2019, 45 Seiten

 

 

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