Strategien gegen die Einsamkeit älterer Menschen

21.11.2017
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Wer isoliert lebt, wird schneller krank und gebrechlich. Deshalb untersucht das Projekt age4health, was Isolation im Alter befördert und wie sie durchbrochen werden kann.

Die Lebenslage älterer Menschen wird oft schwieriger, je älter und weniger mobil sie werden und je isolierter sie leben. „Wer im Alter wenig soziale Kontakte hat, hat ein höheres Risiko schneller krank und gebrechlich zu werden“, sagt Prof. Dr. Susanne Kümpers vom Fachbereich Pflege und Gesundheit der Hochschule Fulda. Doch wie kann dieser Kreis durchbrochen werden? Die Wissenschaftlerin hat mit ihrem Team zusammen mit zwei hessischen Kommunen untersucht, was Isolation befördert und wie sie überwunden werden kann.

Im Blick des Forscherteams sind vor allem ältere Menschen mit wenigen sozialen Kontakten in Stadt und Land. „Viele ältere Menschensind gut in ihre Familien integriert, doch auf dem Land ziehen viele Angehörige aufgrund besserer Jobperspektiven weg, so die Gesundheitswissenschaftlerin. Zurück blieben dann häufig die Älteren, die leicht vereinsamen, wenn sie nicht schon vorher durch Nachbarschaft, Bekannte oder Freunde gut eingebunden waren.

Schlechte Integration in Netzwerke

Benachteiligte Seniorinnen und Senioren seien in der Regel schlechter in Netzwerke oder Freundeskreise integriert. Zum Teil hindere sie auch eine karge Rente daran, spezielle Angebote anzunehmen. „Wenn ich am Seniorencafé teilnehmen möchte, müssen mir zum Beispiel die zwei Euro für Kaffee und Kuchen schon leichtfallen. Aber wenn das mein Budget überschreitet, was gar nicht so selten vorkommt, dann lass ich es eher bleiben“, schildert die Gesundheitsforscherin.

Durch Armut und Isolation wird eine Abwärtsspirale ausgelöst: Wer weniger aus dem Haus geht, bewegt sich weniger; körperlich Einschränkungen treten dann schneller auf. Wer sich isoliert fühlt, wird zudem schneller inaktiv und auch eher depressiv. „Menschen, die sozial isoliert sind, altern insgesamt schneller. Sie wechseln schneller vom so genannten dritten Lebensalter, in dem man sich noch körperlich fit fühlt, in das so genannte vierte eher gebrechliche Lebensalter. Sie haben auch ein verfrühtes und erhöhtes Risiko für Krankheiten und Behinderungen“, erläutert Prof. Kümpers.

Zwei Fallstudien – Stadt und Land

Zwei Fallstudien der Fuldaer Forschenden – im Kasseler Stadtteil Bettenhausen und in der Kleinstadt Witzenhausen (Werra-Meißner-Kreis) – zeigen¬, wie das schwierige Thema durch Stadtteilarbeit angepackt werden kann. Denn die unmittelbare Nachbarschaft wird für die meisten Älteren immer wichtiger, weil größere Entfernungen immer schwieriger bewältigt werden können.

Barrieren, die zur Isolierung beitragen, gibt es in Städten und auf dem Land: „In den Städten sind oftmals die Treppen und fehlende Aufzüge das Hindernis – es gibt Menschen, die acht Jahre das Haus nicht verlassen haben. Auf dem Land sind es eher die Entfernungen in der Fläche, die schwierig zu überwinden sind“, beschreibt Prof. Kümpers.

Zum Teil bringen die Fallstudien der Fuldaer auch unerwartete Einsichten. Obwohl oft davon ausgegangen wird, dass Menschen im eher ländlichen Raum besser eingebunden seien, gibt es auch dort Isolation. „Die nicht-anonymen Nachbarschaften sind nicht immer inklusiv“, sagt Susanne Kümpers. Menschen etwa, die vor 50 Jahren dorthin gezogen sind, gelten hier zum Teil noch immer als „Zugezogene“.

Um isolierte ältere Menschen besser zu integrieren, betreiben Prof. Kümpers und ihr Team gemeinsam mit den zuständigen Akteuren von Stadt, Kirchen, Vereinen und Initiativen die Vernetzung in ‚Runden Tischen‘. „Akteure haben sich sensibilisiert und sich mehr mit schwierigen Lebenssituationen älterer Menschen auseinandergesetzt. Dazu gibt es noch wenig gesicherte Strategien“, erklärt sie. Auch sei deutlich geworden, dass häufig die Akteure nur wenig voneinander und von den vorhandenen Angeboten wüssten und man sich zum Teil sogar ungewollt Konkurrenz machte. Bessere Informationen und Absprachen könnten hier Abhilfe schaffen.

Engagierte ältere Bürgerinnen und Bürger, die in den Kommunen leben, konnten von den Forschenden gewonnen werden, Interviews auch mit eher isolierten Älteren zu führen, um deren Wünsche kennenzulernen. „Diese Menschen zu erreichen ist schwieriger, als wir uns zuerst vorgestellt haben“, so die Gesundheitswissenschaftlerin.

Inzwischen sei deutlich geworden, dass es mehr Angebote braucht, die leichter anzunehmen sind, nicht viel kosten und zunächst keine verbindliche regelmäßige Teilnahme erfordern. In einem Stadtteilzentrum für Ältere in Kassel-Bettenhausen etwa entwickelten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit den Bürgern gemeinsam die Idee, einen direkten Zugang zum großen schönen Garten des ehemaligen Pfarrhauses zu schaffen und ihn so für die Allgemeinheit zugänglich zu machen. Unter den alten Bäumen können sich dann in Zukunft Gruppen und Einzelpersonen treffen, so dass sie von der Straße aus sichtbarer sind und der öffentliche Charakter zur Teilnahme einlädt.

Oftmals stellten die Forschenden auch fest, dass es zwar interessante Angebote für ältere Menschen gibt, die aber von Vielen nicht angenommen werden, weil die Barrieren, dorthin zu gelangen, zu groß sind. Hier können Seniorenfahrdienste oder sogenannte Mobilitätshelfer eine Hilfe sein, die etwa in größeren Städten die Menschen schon bei ihren Wegen mit dem Bus oder der Straßenbahn begleiten.

Vielfältige Angebote

Sinnvoll seien vor allem Angebote für ältere Menschen, mit denen man ‚mehrere Fliegen mit einer Klappe‘ schlägt. „Es braucht Angebote, die mehrere Dimensionen haben und verschiedene Bedarfe miteinander verbinden“, erklärt Kümpers. Wer zum Mittagstisch für Senioren oder Seniorencafé geht, der kommt vielleicht auch eine Stunde früher zur Seniorengymnastik. Und dort erfährt man von den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, dass es auch ein Erzählcafé gibt, wo sich die Kriegsgeneration über frühere Erlebnisse austauscht.

Doch auch solche Angebote, wenn es sie überhaupt gibt, werden nicht alle erreichen: Wer sich etwa seit vielen Jahren eher auf der Verliererseite sieht, fühlt sich im Alter auch als Außenseiter und bleibt möglicherweise lieber allein. Hier könnten individuelle, persönliche Zugänge helfen, aus der Einsamkeit herauszukommen, meint Susanne Kümpers. Zum Beispiel könnten ein mobiler Physiotherapeut oder eine Pflegeperson, die sich nicht nur für das körperliche Befinden eines älteren Menschen zuständig sehen, auch zu Kontaktpersonen und Brückenbauern zur Welt draußen werden.

Mit den Akteuren in den Kommunen arbeiten die Fuldaer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler daran, dass schwierige Lebenssituationen von Älteren in den Orten verbessert werden. Sie versuchen dabei Veränderungsprozesse anzustoßen und gleichzeitig zu verstehen, was solche Veränderungen erschwert und was sie ermöglicht. „Unser zentraler Ansatzpunkt ist die Verbesserung der Möglichkeiten sozialer Teilhabe, ohne die ein gutes Leben im Alter sehr schwierig ist“, sagt Susanne Kümpers.

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