Wenn Zeno ein Lächeln auf die Lippen zaubert

10.11.2015
Die unterschiedlichen Gesichtsausdrücke des EmoRobot Zeno
Zeno, der „social robot“, „spricht“ mit den Personen mit Demenz und „reagiert“ auf sie – auch durch Mimik, die elf Motoren in seinem Gesicht möglich machen.
Gruppenbild von den EmoRobot Double, Zeno und Jenny
EmoRobot Zeno in der Ankleide
Zeno in der Ankleide.
Serviceroboter Jenny bedient die Fuldaer Professorin Dr. Bleses und die Pflegeexpertin Edith Mädche
Der Serviceroboter Jenny bedient die Fuldaer Professorin Dr. Helma M. Bleses (rechts) und die Pflegeexpertin Edith Mädche in einer Wohngruppe des Katharinenstifts in Wiesbaden.

Pflegewissenschaftlerinnen und -wissenschaftler der Hochschule Fulda erforschen, ob und wie Roboter Emotionen bei Menschen mit Demenz wecken können.

Ihre Namen sind Jenny, Johnny, Zeno und Double: Sie bringen Getränke, kommunizieren oder spielen mit ihrem Gegenüber. An der Hochschule Fulda kommen sie im Projekt EmoRobot zum Einsatz. Hier forschen Pflegewissenschaftlerinnen und -wissenschaftler an Fragen der Zukunft: Können Roboter sinnvoll in der Pflege von Personen mit Demenz eingesetzt werden?

„Wir wollen herausfinden, ob und wie robotische Assistenzsysteme in der Lage sind, Emotionen zu stimulieren und ob und wie sie von Personen mit einer Demenz wahrgenommen, akzeptiert und genutzt werden“, betont die Fuldaer Professorin und Pflegewissenschaftlerin Dr. Helma M. Bleses. Sie leitet das interdisziplinäre Projekt EmoRobot, an dem auch Pflegewissenschaftler, Soziologen und Informatiker von anderen Universitäten und Hochschulen beteiligt sind (siehe Kasten). Prof. Bleses und ihr Team führen ihre Studie im Katharinenstift in Wiesbaden durch. Dort leben Personen mit unterschiedlichen Stadien der Demenz.

Zeno kann Emotionen des Gegenübers widerspiegeln

Vier Robotertypen kommen zum Einsatz: Die eher funktionell-technischen Serviceroboter Jenny und Johnny bringen Mahlzeiten oder Getränke und können auch Musik oder Videos abspielen. Der kleine jungenhafte Zeno dient hingegen als „social robot“ zur Unterhaltung. Er „spricht“ mit den Bewohnerinnen und Bewohnern und „reagiert“ auf sie. Mit seinen elf Motoren im Gesicht kann er Mimik und Emotionen seines Gegenübers widerspiegeln. Ein anderes System ist „Double“, ein Tablet-Computer, der auf einer mobilen Plattform auf Augenhöhe montiert ist. Mit diesem Telepräsenzsystem kann sich eine Person per Videotelefonie auf dem Monitor zuschalten. Die Forscherinnen und Forscher beobachten alle Einsätze, zeichnen sie per Video auf und werten sie aus.

„Wir beziehen uns bei unserer Arbeit insbesondere auch auf die Biografie der jeweiligen Person mit Demenz“, erklärt Prof. Bleses. Die Roboter-Einsätze werden entsprechend auf die beteiligten Personen zugeschnitten. So serviert Jenny zum Beispiel einer Person einen guten Tropfen Wein, den sie schon immer sehr genossen hat. Einer anderen Person, die früher gern musiziert hat, werden Musikstücke vorgespielt, die sie besonders mag. Eine weitere Person spielt – vermittelt über Double, dem rollenden Videotelefon - Memory. Per Bildschirm ist die Pflege-Expertin Edith Mädche aus dem Katharinenstift zugeschaltet.

Roboter werden im Hintergrund ferngesteuert

Auch der Roboterjunge Zeno wird wie alle anderen Roboter von Informatikern im Hintergrund ferngesteuert, zum einen aus technischen Gründen, da die autonome Robotik noch nicht ausreichend flexibel ist, zum anderen zur Sicherheit der Personen mit Demenz. Zeno stellt der jeweiligen Person Fragen, die speziell auf sie abgestimmt sind. Dabei lächelt er, blinzelt, verzieht die Mundwinkel, öffnet und schließt die Augen. Aus den ersten Einsätzen weiß man, dass Zeno positive Emotionen wecken kann – vor allem Neugier und Überraschung über das „Kindchen“ mit den „schönen Äugelchen“, bei dem „so ne Platte drinnen läuft“.

Noch lassen sich keine verlässlichen Muster beschreiben, sondern eher erste Erkenntnissplitter. „Angst haben wir bei keiner der Personen erkennen können. Eher Erstaunen, amüsiert sein, Neugier, Überraschung und auch Freude, sagt Prof. Bleses „Bisher zeigt es sich, dass es Personen auch mit fortgeschrittener Demenz offenbar zeitweise durchaus bewusst ist, dass es sich hier um technische Systeme handelt und sogar, dass diese ferngesteuert werden.“

Zusatzangebot soll kein Ersatz für menschliche Nähe sein

Spätestens seit dem Einsatz der Pflegerobbe Paro wird die Assistenz von Robotern innerhalb der Pflegewissenschaft diskutiert. Die Frage stellt sich, inwieweit solche Pflegeroboter auch pflegende Angehörige entlasten können, die berufstätig und in hohem Maße Doppelbelastungen ausgesetzt sind. „Uns geht es aber nicht darum, Pflege oder Fürsorge zu ersetzen oder Kosten zu sparen, sondern darum, wie wir sinnvolle Zusatzangebote schaffen können“, betont Prof. Bleses. So wäre es unter Umständen auch denkbar, dass Angehörige über „Double“ mit den Bewohnern kommunizieren, ähnlich wie das heute schon via „Skype“ funktioniert.

„Es ist wichtig, dass wir als Pflegewissenschaftlerinnen und –wissenschaftler an der Entwicklung von robotischen Assistenzsystemen mitwirken und unsere Expertise einbringen“, sagt Prof. Bleses. Schließlich sei es das Pflegepersonal, das eng in Kontakt mit den Bewohnern und ihren Angehörigen stehe und primär über die fachliche Expertise in der Gestaltung der Versorgung von Personen mit Demenz verfüge. Es gehe darum, deren Wert und Nutzen zu erkennen und dabei besonders auch die Verletzlichkeit der Personengruppe im Blick zu haben. „Unsere Aufgabe ist es daher, Chancen, aber auch Grenzen des Einsatzes von Assistenzsystemen zu identifizieren“, unterstreicht sie. Die Grenze sei vor allem dort, wo solche Systeme Schaden anrichten oder die Würde des Menschen verletzen würden.

Pflege-Expertin ist immer dabei

Bei den Einsätzen im Katharinenstift wird auf ethische Vertretbarkeit größten Wert gelegt. Bei jedem Einsatz ist die Pflege-Expertin Mädche dabei. Sie kann jeden Versuch sofort abbrechen, wenn ein Bewohner Angst zeigt, was allerdings bisher noch nicht vorgekommen ist. Edith Mädche hat eine zentrale Rolle im Projekt. Weil sie alle aller Bewohnerinnen und Bewohner kennt, weiß sie, welchen Personen man Angebote durch robotische Assistenzsysteme unterbreiten kann. Jeder, der an dem Projekt teilnimmt, muss einwilligen, entweder selbst oder über Angehörige und Betreuer. Zudem wurde für das Projekt eine externe Ethik-Beauftragte bestellt. Zuvor hatte die Ethik-Kommission der Deutschen Gesellschaft für Pflegewissenschaft (DGP) dem Projekt ein „Ja“ zur Durchführung gegeben.

Wie soll die Zukunft der Pflege aussehen?

„Es wird eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein, mit zu bestimmen, wie die Zu-kunft der Pflege von Personen mit Demenz aussehen kann und Konzepte für die pflegerische Versorgung zu entwickeln, die sich positiv auf deren Wohlbefinden auswirken“ betont Prof. Dr. Helma M. Bleses. In Bachelorarbeiten sowie einer Doktorarbeit des wissenschaftlichen Mitarbeiters Sven Ziegler wird daher auch der gesellschaftliche Diskurs zum Thema behandelt.


Das Projekt EmoRobot

Ziel:
Erkundung des Einsatzes von robotischen Assistenzsystemen als Unterstützung bei der Betreuung von Personen, die sich in verschiedenen Phasen einer dementiellen Erkrankung befinden.
Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF).

Laufzeit:
2013-2016.

Projektleitung:
Prof. Dr. Helma M. Bleses, Hochschule Fulda (Pflegewissenschaft und Klinische Pflege)

Projektmitarbeiter Hochschule Fulda:
Sven Ziegler, M.Sc. - Public Health, Tanja Treffurth, B.Sc. Pflegemanagement Doreen Doll

Kooperationspartner:
Hochschule Bonn-Rhein-Sieg: Prof. Dr. Erwin Prassler (Informatik), Technische Universität Dortmund: Prof. Dr. Ronald Hitzler (Soziologie), Fachhochschule St. Gallen: Prof. Dr. Thomas Beer (Pflegewissenschaft)

Praxispartner:
EVIM – Gemeinnützige Altenhilfe GmbH Wiesbaden


Kontakt

Prof. Dr.

Helma Bleses

Pflegewissenschaften und Klinische Pflege

Gebäude 53 , Raum 327
Prof. Dr.Helma Bleses+49 661 9640-6021
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