Wohnungsnotfallhilfe
Berufsbegleitende Weiterbildung
Worum geht es?
Die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland steigt seit Jahren kontinuierlich an. Derzeit wird sie auf mehr als 650.000 Menschen geschätzt. Ein Rückgang ist nicht in Sicht.
Fachkräfte in der Wohnungsnotfallhilfe sind mit hohen Anforderungen an ihr professionelles Handeln konfrontiert. Es gilt, im Spannungsfeld der Vorgaben der Kostenträger und der eigenen Institution den Bedürfnissen und Erwartungen der Adressat*innen und des eigenen Anspruchs bestmöglich gerecht zu werden.
Die Bausteine der berufsbegleitenden Weiterbildung Wohnungsnotfallhilfe vermitteln das relevante Wissen für Prävention, Krisenintervention, Existenzsicherung, Hilfeplanung und Partizipation. Erste Erfahrungen im Arbeitsalltag der Wohnungsnotfallhilfe werden reflektiert und die Entwicklung professioneller Handlungskompetenzen unterstützt.
Baustein 1: Strukturen der Wohnungsnotfallhilfe
Der Baustein 1 "Strukturen der Wohnungsnotfallhilfe" umfasst die historischen Grundlagen, eine Einführung in die Institutionen und deren Arbeitsweisen sowie das Selbstverständnis in der Wohnungsnotfallhilfe.
In diesem Baustein wird die Vernetzung lokaler Organisationen in die verschiedenen Gesellschaftsbereiche sowie zentrale Querschnittsthemen und Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit thematisiert. Es werden sozialpolitische Zusammenhänge beleuchtet, die eine wichtige Rolle bei der Eruierung von Handlungsspielräumen im Arbeitsalltag der Wohnungsnotfallhilfe darstellen.
Themenfelder:
- Historische Entwicklung der Wohnungsnotfallhilfe und Erklärungsmodelle für Wohnungslosigkeit im Wandel
- Begrifflich-konzeptionelle Grundlagen für Hilfen und deren Anlässe
- Handlungs-und Arbeitsfelder der Wohnungsnotfallhilfe und ihrer Einbettung in §§67ff. SGB XII
- Die Spezifik von Einrichtungen: ambulant, teilstationär oder stationär
- Querschnittsthemen der Wohnungsnotfallhilfe sowie Schnittstellen zu anderen Handlungsfeldern und Berufsgruppen
Leitung:
Werena Rosenke
- Freiberufliche Publizistin und Beraterin
- Bis 2023 Geschäftsführerin und Pressesprecherin BAG Wohnungslosenhilfe e.V.
Baustein 2: Der Lebenslagen-Ansatz
Das Konzept des Wohnungsnotfalls ist in den umfassenden Lebenslagenansatz von Armut, Unterversorgung und sozialer Ausgrenzung eingebettet. Je nach Lebenslage, z.B. in Bezug auf materielle Absicherung, Arbeit, berufliche oder schulische Bildung, Gesundheit, Partizipation oder Familie/Partnerschaft, unterscheiden sich die Problemlagen bei den Adressat*innen der Wohnungsnotfallhilfe.
Baustein 2 bildet das Fundament für das Erfassen und Verstehen der komplexen Lebenslagen, in denen sich Adressat*innen der Wohnungsnotfallhilfe befinden. Von dieser Basis aus werden die Ziele, Aufgaben und die Ausrichtung des Hilfesystems in der Wohnungsnotfallhilfe abgeleitet.
Darüber hinaus werden werden typische Probleme in den jeweiligen Lebenslagen, wie z.B. Langzeitarbeitslosigkeit, Verlust von Sozialbeziehungen, dauerhafte Wohnungslosigkeit, krankmachende Lebensbedingungen, Verlust der Qualifikation, Verlust der Teilhabe an Freizeit- und Erholungsaktivitäten, Verlust von Partnerschaft, eingeschränkte Mobilität sowie sozialstaatliche Exklusionsmechanismen bearbeitet.
Themenfelder:
- Materielle Absicherung
- Arbeit
- Wohnen
- Gesundheit
- Berufliche und schulische Bildung
- Partizipation
- Familie und Partnerschaft
- Öffentlicher Raum und Infrastruktur
- Ziele, Aufgaben und Ausrichtung des Hilfesystems für Wohnungsnotfälle
- (Multifaktorielle) Hilfebedarfe, Hilfeleistungen, Hilfeprogramme sowie heterogene Bedürfnislagen (z.B. geschlechts-/altersbezogen oder infolge von Abhängigkeitserkrankungen, Behinderungen)
- Gruppenspezifische Angebote der Wohnungsnotfallhilfe (etwa Frauen, junge Menschen, ältere Menschen, Migrant*innen aus EU/Nicht-EU, Paare, Familien)
Leitung:
Sabine Bösing
- Geschäftsführerin und Fachreferentin für Gesundheit und Familien der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V.
Baustein 3: Recht für die Wohnungsnotfallhilfe I - 67er Hilfen, ordnungsrechtliche Unterbringung und Existenzsicherung
Baustein 3 umfasst eine Einführung in die zentralen Rechtsgrundlagen der Wohnungsnotfallhilfe. Dies sind insb. die Leistungen zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff. SGB XII.
Ein weiteres Thema ist die ordnungsrechtliche Unterbringung mit exemplarischen polizeirechtlichen Bezügen. Ebenfalls werden einführend die existenzsichernden Leistungen (SGB II und III) inkl. des Zugangs zu Gesundheitsversorgung behandelt. Abschließend werden Interventionsmöglichkeiten bei drohenden Wohnungsverlust infolge von Miet- und Energieschulden angesprochen.
Themenfelder:
- Wohnungsnotfallhilfe i.e.S. (§§ 76ff. SGB XII)
- Ordnungsrechtliche und polizeirechtliche Bezüge (insb. Unterbringung, Vorgaben im öffentlichen Raum)
- Existenzsicherung und Gesundheitsversorgung (SGB II, XII, SGB V)
- Existenzsichernde Krisenintervention bei Miet- und Energieschulden
- Schuldenübernahme im SGB II und SGB XII
- Räumungsverfahren und entsprechende Interventionsmöglichkeiten
- Kommunale Fachstellen zur Verhinderung von Wohnungsverlusten
- Kooperationsmöglichkeiten zwischen Fachstellen und freien Trägern
Leitung:
Martin Steinbrenner
- Sozialarbeiter bei der Evangelischen Gesellschaft Stuttgart in der Sozialrechtsberatung, davor 30 Jahre in der ambulanten Beratung junger Wohnungsloser
- Lehrauftrag bei der BAKD (Bundesakademie für Kirche und Diakonie)
Baustein 4: Recht für die Wohnungsnotfallhilfe II - Rechtliche Spezifika für bestimmte Adressat*innen, Rechtsdurchsetzung
Baustein 4 widmet sich spezifischen Rechtsgrundlagen für bestimmte Adressat*innengruppen, die über den Zugang zum Hilfesystem entscheiden oder Vorgaben für die Angebotsgestaltung und spezifische Bedarfe enthalten. Im Zentrum stehen zunächst migrationsrechtliche Bezüge (für EU-Ausländer*innen und Drittstaatsangehörige) sowie Leistungen für Rehabilitation und Teilhabe infolge Behinderung oder Beeinträchtigungen.
Nicht zuletzt in diesen Rechtsgebieten stellt sich oft die Frage, wie Adressat*innen ihre Rechtsansprüche durchsetzen können und hierbei unterstützt werden können. Ebenso sind Kenntnisse im Datenschutz unabdingar, um bei Datenerhebungen und Übermittlungsersuchen anderen Behörden rechtssicher agieren zu können.
Themenfelder:
- Migrationsrechtliche Bezüge
- Rehabilitation und Teilhabe (BTHG und SGB)
- Datenschutzrecht
- Rechtsdurchsetzung (Beratungs- und Prozesskostenhilfe, Widerspruch und Klage)
Leitung:
Michael Beyerlein
- Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachgebiet Sozial- und Gesundheitsrecht, Recht der Rehabilitation und Behinderung (Universität Kassel)
Prof. Dr. Dorothee Frings
- 1997-2017 Professorin für Verfassungs-, Verwaltungs- und Sozialrecht an der Hochschule Niederrhein, Fachbereich Sozialwesen
- 1983 bis 1997 Tätigkeit als selbständige Rechtsanwältin mit dem Schwerpunkt Migrations- und Sozialrecht
- Wissenschaftliche Schwerpunkte : Deutsches und Europäisches Sozial-, Migrations- und Antidiskriminierungsrecht
Baustein 5: Hilfeprozesse sowie Methoden und Konzepte in der Wohnungsnotfallhilfe
Baustein 5 "Hilfeprozesse sowie Methoden und Konzepte in der Wohnungsnotfallhilfe" führt grundsätzlich in die Frage ein, wie mit Menschen im Wohnungsnotfall unter welchen Bedingungen zu arbeiten ist.
Dieser Baustein fragt einerseits nach der Philosophie der Hilfe, ihren Zielen und der Haltung der Akteure. Er befasst sich andererseits mit einer Reihe ausgewählter Konzepte und beispielhafter Organisation der Wohnungsnotfallhilfe - also den Rahmenbedingungen zur Verwirklichung von Hilfen. Auf diese Weise wird Soziale Arbeit mit der besonders verletzlichen Gruppe der Wohnungslosen zusammenfassend in den Blick genommen.
Themenfelder:
- Philosophie der Hilfe
- Gestaltung des Hilfeprozesses
- Methodik der Hilfe
- Ziele der Hilfe
- Herausforderungen im Hilfeprozess und des Hilfesystems, z.B. selbstschädigendes Verhalten, Balance zwischen Intervention durch Sozialarbeit*innen und Wahrung der Autonomie der Adressat*innen
- Handlungsspielräume und -grenzen der Fachkräfte im Alltag
- Arbeiten im Team
Leitung:
Felix Wolff
- Seit 2023 Mitglied in der Projektgruppe Housing First in der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V.
- Seit 2021 Mitglied im Vorstand von Sozialpädagogische Alternativen e.V. in Karlsruhe und Mitglied im Fachausschuss Wohnen der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe e.V., als Mitglied des Paritätischen Wohlfahrtsverband
- 2021 - 2022 Sozialarbeit im Projekt „Wohnen 50 +“ im Rahmen der Wohnungsnotfallhilfe nach §§ 67 ff. SGB XII für ältere, ehemals wohnungslose Menschen
Baustein 6: Finanzierung der Wohnungsnotfallhilfe
Baustein 6 fokussiert auf die betriebswirtschaftlichen Grundlagen von Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe sowie relevante Finanzierungsunterschiede zwischen den Bundesländern.
Dabei stehen im Baustein verschiedene Tätigkeitsaspekte im Mittelpunkt und sind somit für unterschiedliche hierarchische Positionen von Interesse: So werden Grundlagen zur Durchführung von Abrechnungen und zum Aufbau langfristiger Finanzierungsoptionen von Projekten geschaffen. Des weiteren werden hier sowohl für den Alltag in Einrichtungen wie in Projekten relevante betriebswirtschaftliche Aspekte wie Controlling etc. bearbeitet und an Fallbeispielen der Teilnehmenden auch Konzepte zu den Verhandlungen mit Leistungsträger*innen ausgearbeitet.
Damit erfolgt gleichzeitig auch die Auseinandersetzung mit verschiedenen Optionen zur Finanzierung von Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe.
Themenfelder:
- Betriebswirtschaftliche Grundlagen
- Finanzplanung und Rechnungswesen
- Leistungstypen und Gruppen von Leistungsbeziehern
- Zuwendungsfinanzierung
- Arbeit an Fallbeispielen zu den Verhandlungen mit Leistungsträger*innen
- Controlling
- Personalwirtschaft
- Fundraising
- Fördermittel auf Bundes- und EU-Ebene
- Dokumentation
Leitung:
Julia Staiger-Engel
- 2019: Promotion zum Thema Service Learning
- Seit 2013 akademische Mitarbeiterin an der Pädagogischen Hochschule
Karlsruhe; Leitung der Praxisstelle Pädagogik der Kindheit und Lehrbeauftragte mit dem Schwerpunkt auf betriebswirtschaftliche Grundlagen und sozialstaatliche Rahmenbedingungen tätig - Studium der Sozialen Arbeit in Esslingen und Berlin
Baustein 7: Umgang mit herausforderndem Verhalten
Die Adressat*innen der Wohnungsnotfallhilfe sind extrem heterogen. Oft müssen Fachkräfte mit unterschiedlichen Formen von herausforderndem Verhalten umgehen. Baustein 7 nimmt den Umgang mit solchen "schwierigen" Situationen sowohl konzeptionell wie praktisch in den Blick: Steht am ersten Tag ein Training deeskalierender Methoden im Vordergrund, wird am zweiten Tag die Frage nach den eskalierenden Bedingungen in Einrichtungen bearbeitet und damit das Einrichtungskonzept weiterentwickelt.
Themenfelder:
- Erscheinungsformen und verschiedene Ursachen von auffälligem und herausforderndem Verhalten
- Alltagstaugliche Interventionsmöglichkeiten
- Spannungsfeld "Eigengefährdung" und Adressat*innenschutz
- Distanzierungstechniken / Ressourcenarbeit
- Methodische Fallbesprechung
- Lösungsorientierte Handlungsstrategien
Leitung:
Petra Maurer
- Dipl-Pädagogin
Ablauf
Die Weiterbildung ist modular aufgebaut und besteht aus sieben Bausteinen.
Die Bausteine werden in einem Blended Learning Szenario durchgeführt. Pro Baustein umfassen die Inhalte jeweils zwei Präsenztage (16 UE) an der Hochschule Fulda sowie Materialien zur Vor-und Nachbereitung des Präsenzblocks zu Hause. Jeder Baustein umfasst ca. 30 Stunden Arbeitsaufwand.
Sie haben die Möglichkeit, beliebig viele Bausteine auszuwählen. Für das Hochschulzertifikat (5 ECTS) müssen Sie jedoch 5 von insgesamt 7 Bausteinen wählen. Wir empfehlen Einsteiger*innen ins Feld die Bausteine 1, 2, 3, 5 und 7.
Ein Baustein ist wie folgt strukturiert:
2 Tage Präsenzlehre | 2x8 UE | 16 UE |
Learncoaching im Online-Studium durch Studienleitung (z.B. Forenmoderation, Feedback zu Fallbearbeitung, individuelle Fragen etc.) | 2 UE | 2 UE |
Selbst-Studium, Einsendeaufgaben etc. | 12 UE | 12 UE |
Studienleitung
Prof. Dr. Nikolaus Meyer
Professor für Profession und Professionalisierung Sozialer Arbeit (Hochschule Fulda)
Prof. Dr. Susanne Dern
Professorin für Soziale Sicherung, Inklusion und Verwaltung (Hochschule Fulda)